Die Autos stehen, rauchende Menschen spazieren auf dem Pannenstreifen, Teenies machen ein Selfie aus dem Dachfenster des Familienvans. Das ist die A2 am Karfreitag. Das ist der traditionelle Osterstau. Auf der Raststätte Gotthard bei Schattdorf im Kanton Uri brummen die Motoren und das Geschäft.
Seit 5.30 Uhr ist Markus Gisler (62) vor Ort. Er trägt eine neongelbe Jacke, hat eben Autos eingewiesen. «Dieses Jahr haben wir aussergewöhnlich viel Stau hier», sagt Gisler, der die beiden Tankstellen und den Technikbereich leitet.
Die ganze Nacht lang Stau
Zwischen der Raststätte und dem Nordportal liegen 30 lange Kilometer. Die ganze Nacht über standen die Autos in Richtung Süden immer auf einer Länge von über neun Kilometern.
«Weil die Wetterpropheten dieses Jahr das schlechte Wetter im Norden früh angekündigt hatten, entschieden sich wohl besonders viele für einen Ausflug in den Süden», so Gisler.
Er richtet den verrutschten Teppich vor dem Eingang des Restaurants. Stau vor dem Gotthard gehört zu Ostern wie die Schoggihasen. Letztes Jahr standen Schweizer landesweit insgesamt 21 509 Stunden in Kolonnen.
Hinter der Raststätte ragen die frisch verschneiten Griggeler und Chli Windgällen in den blauen Himmel. 54 Mitarbeitende sorgen im Dreischichtenbetrieb dafür, dass die Reisenden während 24 Stunden umsorgt werden. Rund 30 Millionen Schweizer Franken werden pro Jahr umgesetzt.
«Ab Palmsonntag beginnt hier das Leben zu pulsieren», so Gisler, der seit 20 Jahren an allen Ostertagen auf der Raststätte arbeitete. «Das Jubiläum freut mich, ich mag den abwechslungsreichen Alltag.»
Frau auf der Raststätte vergessen
Eine Mitarbeiterin holt rot-weisses Absperrband. Ein Mann kommt auf Gisler zu, er habe auf der letzten Raststätte die Hundeleine vergessen. «Das ist aber nichts gegen den, der seine Frau auf der Raststätte Bellinzona vergessen hat», so Gisler. Er lacht.
Solche Geschichten erlebe er immer wieder. Wie etwa als ein Buschauffeur aus Pratteln BL anrief und nach einer vermissten Rentnerin fragte. Auch der Defibrillator komme oft zum Einsatz: «Viele Reisende fahren im Sommer von weit her fast ohne Pause bis hier durch, trinken kaum, steigen aus – und brechen zusammen.»
Es ist 10.57 Uhr. Auf dem Bildschirm über der Treppe zum WC flimmert der Teletext. Autos stauen sich auf acht Kilometern. Wartezeit? Bis zwei Stunden. Eine Gruppe englischer Jugendlicher mit roten Ski-Trip-Pullovern flutet den Laden, es gibt kein Durchkommen mehr.
Auf der anderen Autobahnseite, wo man nordwärts in Richtung Luzern fährt, ist es ruhiger. Einheimische haben es sich gemütlich gemacht. Stammgäste aus der Region sitzen an der Fensterfront. Gisler grüsst sie alle per Du. Godi (64) und Jeannette (60) Gnos sind aus Altdorf hierherspaziert.
«Hier läuft immer etwas und man trifft viele Leute», sagt Godi Gnos. Ab heute Abend, wenn die Sonnenanbeter aus dem Süden zurückkehren, wird es diesseits der Autobahn weniger beschaulich zu- und hergehen.
«Dann wird vor allem eingekauft», so Gisler. Würste aus der Region, Confi von Bäuerinnen, Rosenkuchen vom lokalen Bäcker. «Für die leeren Kühlschränke – aber auch Souvenirs für die Schwiegermutter, die die Katze hütete.»