Rapperswiler Historiker verrät BLICK
Auf Federers Land stand eine Chemie-Fabrik!

Seit November wird in Rapperswil-Jona auf dem neuen Grundstück von Roger Federer gebaut. Aber nun hat der Tennis-Maestro ein zweites Baugesuch eingereicht – aus gutem Grund.
Publiziert: 08.01.2020 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2020 um 05:49 Uhr
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Kontaminiert: Die Baustelle der Familie Federer in Kempraten bei Rapperswil.
Foto: Thomas Meier
Nicole Vandenbrouck, Marco Latzer und Matthias Dubach

Am Südende des Zürichsees, an der Zürcherstrasse in Rapperswil-Jona SG, wird sich Roger Federer (38) in Zukunft mit seiner Familie niederlassen. Wann genau, ist ebenso unklar wie der Zeitpunkt seines Rücktritts.

Im letzten November begannen die Bauarbeiten auf dem neuen Grundstück des Tennis-Maestros. Zunächst, für ein paar Wochen, sieht das Gelände wie eine gewöhnliche Baustelle aus. Das ändert sich vor Weihnachten. Rund um Rogers Grundstück werden plötzlich Sichtschutzwände aufgestellt. Sie sollen die Blicke von neugierigen Passanten abhalten. Tatsächlich ist aber erst durch die blickdichten Zäune die Promi-Baustelle als solche erkennbar.

Altlasten von Chemiefabrik und Ziegelei

Ebenso sieht man jetzt, wo genau die Grenze des Grundstücks verläuft. Als BLICK gestern einen Augenschein vor Ort nimmt, sind hinter den Wänden zwei Bagger mit dem Aushub beschäftigt. Doch für den Bauherrn Federer läuft es nicht so geschmiert wie sonst meist auf dem Tennis-Court: Die Arbeiten für die neuen Wasserleitungen zum See haben ein Problem ans Tageslicht gefördert, wie die «Linth-Zeitung» berichtet.

Es wurde entdeckt, dass Teile des Bodens mit altem Bauschutt versetzt sind. Auf dem 18'000 Quadratmeter grossen Grundstück sind die ufernahen 20 Meter auf der ganzen Grundstücksbreite sowie der ufernahe Seegrund im linken Bereich betroffen.

Offenbar reicht die Bodenverschmutzung bis in 90 Zentimeter Tiefe. Der Grund dafür: Familie Federer baut auf einem ehemaligen Industriegelände. Der Rapperswiler Historiker Basil Vollenweider (36) hat sich eingehend mit der Bucht von Kempraten befasst und kennt auch die Vorgeschichte des Federer-Grundstücks.

Erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1841

«Im 19. Jahrhundert stand dort zunächst eine Ziegelei, welche in einem Handänderungsprotokoll von 1841 erwähnt wird. Später entstand daraus eine Chemiefabrik», weiss Vollenweider.

Der Käufer, ein gewisser Jakob Hess aus Wald ZH, lässt die Liegenschaft im Jahr darauf auf die Versicherungssumme von 3300 Gulden festlegen. Aufgeführt wird ein Risikozuschlag von zehn Prozent mit der Bemerkung «Essigsiederei»

Weil es zwischenzeitlich einen Besitzerwechsel gab, ehe die Familie Hess das Grundstück wieder erwerben konnte, ist auch die damalige Bebauung bekannt: Nebst der eigentlichen Chemiefabrik standen unter anderem ein Destilliergebäude, ein Dampfkesselhaus sowie ein Gebäude zur Fabrikation von Holzessig auf dem Gelände.

«Die Verkehrsanbindung war für damalige Verhältnisse optimal. Im 19. Jahrhundert entstand oberhalb des Grundstücks die neue Zürcherstrasse, zudem konnten dank des Seezugangs auch Güter verschifft werden», so Experte Vollenweider.

Sanierungsprojekt liegt öffentlich auf

Karl Hess (1875–1961), der Enkel von Jakob Hess, führt die Fabrik zunächst weiter, gibt sie schliesslich aber im Jahr 1931 auf. Zugleich macht er auch als erster Rapperswiler Besitzer eines Elektroautos, Bezirksrichter und Weltmeister im Pistolenschiessen von sich reden.

In den Jahren danach werden die Liegenschaften abgerissen. Es ist davon auszugehen, dass der Bauschutt dieser Arbeiten zumindest teilweise in der Erde verscharrt und in Ufernähe ins Wasser gekippt wird.

Familie Federer will deswegen eine Altlastensanierung vornehmen. Die Stoffe im Boden sind zwar ungefährlich, aber der scharfkantige Abfall mit vielen Glas- und Metallsplittern könnte lästig werden.

Andri Pfister, bei der Stadtverwaltung für die Baubewilligungen zuständig, sagt zu BLICK: «Weil es ein Eingriff in den Uferbereich ist, muss ein ordentliches Verfahren mit Baugesuch durchgeführt werden.» Da es sich um eine Formalität handelt, werden aber keine Einsprachen erwartet.

2021 soll der Federer-Komplex fertig sein

Was die Bodensanierung kostet, ist noch nicht bekannt. Klar ist: Für die vom südafrikanischen Büro Saota Architecture geplante Federer-Überbauung sind rund 20 Millionen Franken veranschlagt.

Dank der öffentlichen Auflage sind jetzt auch die Dimensionen des gesamten Bauvorhabens bekannt: Auf dem Gelände – Landwert: rund 40 bis 50 Millionen Franken – entstehen sechs ein- bis zweigeschossige Gebäude. Schon im kommenden Jahr könnte Federers neues Reich auf dem rundum sanierten Industriegelände bezugsbereit sein.

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