«Nach einem Verlust sind die Feiertage hart»
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Trauer während Corona:«Nach einem Verlust sind die Feiertage hart»

Psychologin über die Trauer während Corona
«Nach einem Verlust sind die Feiertage hart»

Nicht alle Menschen verbinden Weihnachten mit Freude – insbesondere nach einem schweren Verlust. Das weiss auch Psycho­therapeutin Yvik Astrid Adler.
Publiziert: 20.12.2020 um 16:38 Uhr
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Die Psychotherapeutin Yvik Astrid Adler kennt sich mit dem Thema Trauer aus.
Foto: Philippe Rossier
Milena Stadelmann

SonntagsBlick: Frau Adler, wem setzen die Festtage besonders schwer zu?
Yvik Astrid Adler: In der Adventszeit streben die Menschen nach Harmonie. Gelingt das nicht, kann das die Stimmung negativ beeinträchtigen. Psychisch angeschlagene oder ein­same Menschen sind besonders anfällig. Auch nach ­einem Verlust eines nahe­stehenden Menschen können die Feiertage hart sein.

Was lösen die Festtage bei Trauernden aus?
Dem ersten Weihnachten ohne eine geliebte Person, kommt eine besondere ­Bedeutung zu. An Festtagen wird umso deutlicher: Der Verstorbene ist nicht mehr bei uns und hinterlässt eine Lücke. Das kann die Trauer und den damit verbundenen Schmerz verstärken.

Wie kann der Schmerz gelindert werden?
Es kann helfen, die ver­storbene Person in die Feier zu integrieren. Indem man ein Bild aufstellt oder sich gegenseitig schöne Erinnerungen erzählt. Zusammen weinen und lachen ist für den Trauerprozess wichtig.

Was sollte bei dem Fest sonst noch beachtet werden?
Es gibt dabei kein Richtig oder Falsch. Wichtig ist da­rauf zu hören, was die nächsten Hinterbliebenen sich wünschen. Wollen sie Weihnachten in diesem ­Jahr ausfallen lassen oder gemeinsam feiern? Beides sollte akzeptiert werden.

Auch während einer Pandemie?
Ja. Allerdings muss man in diesem Jahr gut abwägen, was im gegebenen Rahmen möglich ist. Das ist nicht einfach – insbesondere wenn Hinterbliebene zur Risikogruppe gehören. Aber: Trauernde gegen ihren Willen alleine zu lassen, ist auf keinen Fall eine Option. Das gilt nicht nur für die Festtage.

Weshalb ist das so wichtig?
Einsamkeit ist für die Psyche nie förderlich – schon gar nicht während der Trauer. Durch menschliche Nähe und Beistand kann ein Verlust besser verkraftet werden. Genauso wichtig ist es, aktiv zu bleiben und sich abzulenken. Durch die Corona-Massnahmen ist das schwieriger als sonst.

Wie wirkt sich das Virus also auf die Trauer aus?
Die Verarbeitung eines ­Todes kann komplizierter sein. Die Trauer fängt schon beim Sterbeprozess an. Konnte man sich nicht richtig verabschieden oder ist der Tod unerwartet eingetreten, erschwert das die Trauer und deren Verarbeitung zusätzlich.

Inwiefern?
Ein schwer verarbeitbarer Verlust kann schnell auch in eine Depression münden.

Wo bekommen die Betroffenen Hilfe?
Trauerbegleiter, Seelsorger oder Psychotherapeuten können bei der Trauer ­unterstützen. Es gibt auch diverse Trauerforen, wo man sich austauschen kann.

Wann sollte man sich professionelle Hilfe suchen?
Grundsätzlich gilt: Besser zu früh als zu spät. Sobald man um sich selber oder ­einen Angehörigen Angst hat, sollte man reagieren. Im akuten Notfall kann der kantonale psychiatrische Dienst kontaktiert werden. Man darf aufgrund von ­Corona nicht das Gefühl ­haben, man dürfe keine ­Hilfe in Anspruch nehmen –auch nicht von Familien­mitgliedern.

Wie können Angehörige trotz Social Distancing für Trauernde da sein?
Das Wichtigste ist, in Kontakt zu bleiben. Wenn es persönlich nicht möglich ist, über das Telefon oder Videoanrufe. Auch ein ­Spaziergang kann den ­Angehörigen guttun. Viele Trauernde wünschen sich aber auch Ruhe und Rückzug, was ebenfalls zu respektieren ist.

Während wir in diesem Jahr Weihnachten feiern, steigen die Zahlen der Corona-Toten weiter. Trauern wir zu wenig um sie?
Wir dürfen nicht ver­gessen: Ob mit oder ohne Pandemie sterben in der Schweiz jährlich etwa 67 000 Menschen. Diese werden auch jedes Jahr ­betrauert und hinterlassen an Weihnachten eine Lücke. In unserer Gesellschaft hat das Sterben kaum Raum. Wir verdrängen das Thema Tod allzu gerne.

Könnte sich das jetzt durch Corona ändern?
Das wäre durchaus möglich und auch wünschenswert. Wären wir unserer eigenen Sterblichkeit mehr bewusst, sollten wir so leben, dass wir auch jederzeit gehen könnten. Das gäbe unserem ­Leben Qualität.

Suchen Sie Hilfe?

Die Dargebotene Hand:
Das Sorgentelefon (Tel. 143) ist rund um die Uhr erreichbar
www.143.ch

Pro Mente Sana:
Die Stiftung bietet verschiedene Beratungsangebote:
www.promentesana.ch

Tipps für die psychische Gesundheit während Corona:
www.dureschnufe.ch
www.psychologie.ch

Tipps zu Trauerbewältigung und Selbsthilfe:
www.selbsthilfeschweiz.ch
www.gute-trauer.de

Die Dargebotene Hand:
Das Sorgentelefon (Tel. 143) ist rund um die Uhr erreichbar
www.143.ch

Pro Mente Sana:
Die Stiftung bietet verschiedene Beratungsangebote:
www.promentesana.ch

Tipps für die psychische Gesundheit während Corona:
www.dureschnufe.ch
www.psychologie.ch

Tipps zu Trauerbewältigung und Selbsthilfe:
www.selbsthilfeschweiz.ch
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