Psychologe Franz Eidenbenz erklärt
Darum ist die Jugend süchtig nach Likes

Jugendliche und Erwachsene verbringen teils mehrere Stunden täglich auf Social-Media-Plattformen. Ein Psychologe warnt: Nutzer können schnell mal den Bezug zur realen Welt verlieren.
Publiziert: 30.03.2018 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 08:38 Uhr
Franz Eidenbenz ist Psychologe und Leiter Beratung des Zentrums für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte.
Foto: zvg
Helena Schmid

Mehr Likes und mehr Follower steigern das Selbstbewusstsein. Doch die ständige Präsenz im Netz kann schlimme Folgen haben: Jugendliche setzen Schule, Lehrstelle und Freunde aufs Spiel, wie Franz Eidenbenz, Psychologe und Suchtexperte, durch seine Arbeit weiss.

BLICK: Was zieht junge Menschen so in den Bann von Social Media?
Franz Eidenbenz:
Social Media vermittelt ein Gefühl von Freundschaft, Selbstwert, Anerkennung und Aufmerksamkeit – alles, nach dem wir uns sehnen. In der virtuellen Welt ist es viel leichter, Aufmerksamkeit zu bekommen als in der Realität. In Extremfällen suchen Nutzer die Aufmerksamkeit nur noch in der virtuellen Welt, während sie sich im realen Leben zurückziehen.

Das klingt schon fast wie bei Drogensüchtigen.
Ja, es kann tatsächlich zur Sucht werden. Wie andere Süchtige vernachlässigen auch Social-Media-Abhängige alltägliche Pflichten, reale und familiäre Beziehungen für den Kick nach virtueller Anerkennung. Bei Jugendlichen kann das bedeuten, dass sie für den Aufbau ihrer virtuellen Identität Schule, Lehrstelle und damit ihre Zukunft aufs Spiel setzen. Diese Gefahr ist insbesondere dann gross, wenn es an realem Erfolg mangelt.

Also meinen Sie Menschen, die im realen Leben keine Anerkennung erhalten?
Genau, diese suchen sie dann im Internet und erliegen der virtuellen Verführung. Statistiken zeigen, dass 80 Prozent der Social-Media-Süchtigen Frauen sind.

Warum?
Ein Grund könnte sein, dass Frauen bei der Anerkennung häufiger als Männer von sozialen Kontakten abhängig sind. Grundsätzlich möchten Menschen möglichst gut in der Welt dastehen – so auch in der virtuellen. Der Druck nach Erfolg ist für Betroffene teils so gross, dass sie auch mal Äusserungen machen, zu denen sie in der realen Welt kaum stehen könnten.

Wie kann man eine Sucht verhindern?
Wichtig ist die Balance zwischen virtueller und realer Welt und dass man sich nicht von Likes, Kommentaren und Followern blenden lässt und davon abhängig macht. So sollte man sich selbst hinterfragen: Wie viel Zeit verbringe ich mit Social Media? Welche Emotionen löst es bei mir im Vergleich zu meinen Freunden aus? Zudem empfehle ich, sich einen Ausgleich zu suchen, der nichts mit Social Media zu tun hat.

Ist die Generation Instagram verloren?
Nein. Viele junge Menschen kriegen die Balance zwischen realem Leben und Online recht gut hin. Allerdings müssen sie sich gut organisieren. Einen Social- Media-Account mit vielen Followern zu unterhalten, ist sehr zeitaufwendig – Planung ist daher alles. Zudem ist es wichtig, auf gute reale Freunde zu hören. Und es kann auch helfen, sich mit anderen Bloggern auszutauschen.

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