Psycho-Tricks, gefälschte Papiere – Opfer von Schenkkreis-Abzocker erzählt
«Er liess einfach nicht locker»

Der mutmassliche Schenkkreisbetrüger Werner W.* tischte seinen Opfern zahlreiche Lügen auf. Einer der Betroffenen: Roland S.** (65). Der Pensionär glaubte, er finanziere ein legales Geschäft. «Ich dachte, es sei sauber», sagt er zu BLICK.
Publiziert: 04.11.2019 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2019 um 08:20 Uhr
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Roland S.** (65) fiel auf eine Masche mit den Finma-Dokumenten rein.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Die Staatsanwaltschaft ist sicher: Werner W.* (69) ist der Kopf hinter 19 Schenkkreisen. Zwischen 2008 und 2017 soll der selbständige Finanzberater mit einem illegalen Schneeballsystem rund 1,3 Millionen Franken erwirtschaftet haben. Nun steht die Anklage: wegen Betrugs, Geldwäscherei, Falschbeurkundung und unlauteren Wettbewerbs. Der Termin für die Verhandlung ist noch nicht festgesetzt. Es gilt die Unschuldsvermutung (BLICK berichtete).

Den Akten der Ermittler ist zu entnehmen, dass W. seinen Opfern mit einer perfiden Masche das Geld aus der Tasche zog. So war vielen nicht bewusst, dass sein «Personen-Finanzierungssystem» in Wirklichkeit ein Schenkkreis ist. Auch Roland S.** (65) aus dem Kanton Uri ging dem mutmasslichen Betrüger auf den Leim. Ihm ist die Geschichte mit all ihren Folgen bis heute peinlich, deshalb möchte er nur anonym über sein Schicksal berichten.

Mit falschen Papieren wurde Seriosität vorgegaukelt

Das erste Mal hatte er Ende 2016 Kontakt mit dem Angeklagten. «Ich sass in einer Beiz, als er auf mich zukam», sagt der Pensionär zu BLICK. Er erinnert sich: «Er erzählte mir von seinem Projekt, mit dem man viel Geld machen könne.» Doch S. bleibt skeptisch: «Ich dachte zuerst, es habe einen Haken.» Denn: «Schon Jahre zuvor sprachen mich Leute vom Schenkkreis European Kings Club an, damals lehnte ich ab.»

Dennoch blieb W. hartnäckig. Sein Opfer sagt: «Er liess einfach nicht locker und sagte, alles sei legal, das könne er beweisen.» Also stimmt S. einem Beratungsgespräch zu. Einige Tage später geht er in Altdorf UR ins Büro des dubiosen Finanzberaters. Dieser legt ihm Dokumente vor, die angeblich von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) stammen.«Er trat sehr seriös auf», so S. Und: «Die Unterlagen sahen echt aus. Ich dachte, es sei sauber.»

Grössere Summe Geld übergeben

Deshalb willigt er in eine Zahlung ein. Im Januar 2017 übergibt er W. eine grössere Summe Geld. Wie viel genau, will er nicht sagen. Nur so viel: «Bis heute bekam ich nichts zurück. Er reagiert auch nicht auf Anrufe.» Erst im Nachhinein wurde ihm klar, dass man ihn über den Tisch gezogen hat: «Vermutlich verbrauchte er unser Geld selbst – oder er hat es auf die Seite geschafft.»

Für den geprellten S. ist aber klar: Aufgeben kommt nicht infrage. Er lässt sich von einem Anwalt vertreten, leitete gegen den Finanzberater eine Betreibung ein und nimmt als Zivilkläger am Verfahren teil: «Ich hoffe, er wird wegen Betrug verurteilt und zur Rechenschaft gezogen. Wenn er ohne Gefängnisstrafe davonkommt, verstehe ich unser Rechtssystem nicht mehr.»

Kaum Hoffnung auf Entschädigung

BLICK-Recherchen zeigen: Auch anderen gutgläubigen Opfern legte W. die dubiosen Finma-Belege vor. «Ja, die Masche ist mir nur zu gut bekannt», sagt ein weiterer Betroffener zu BLICK. «Auch ich dachte, es sei legal. An der Verhandlung nehme ich aber nicht teil.» Sein Verdacht: «Mein Geld bekomme ich sowieso nicht zurück.»

An seinem Wohnort in Melide TI war Werner W. gestern für BLICK nicht zu sprechen.

* Name bekannt

** Name geändert

Was verboten ist und was erlaubt

Schenkkreise sind illegal. Das Verbot ist im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb festgehalten. Strafbar macht sich, wer Prämien in Aussicht stellt, die durch das Anwerben weiterer Personen erfolgen und nicht durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen (Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensysteme). Dagegen ist das blosse «Schenken» von Geld laut Bundesgericht noch keine strafbare Handlung – auch nicht, wenn die Übergabe innerhalb eines Schenkkreises geschieht. Die aktive Suche nach neuen Mitgliedern ist aber verboten. Das gilt auch für Leute, die selbst nicht am Schneeballsystem teilnehmen. Deshalb macht sich der Veranstalter selbst strafbar. Wer vorsätzlich einen Schenkkreis betreibt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Anian Heierli

Schenkkreise sind illegal. Das Verbot ist im Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb festgehalten. Strafbar macht sich, wer Prämien in Aussicht stellt, die durch das Anwerben weiterer Personen erfolgen und nicht durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen (Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensysteme). Dagegen ist das blosse «Schenken» von Geld laut Bundesgericht noch keine strafbare Handlung – auch nicht, wenn die Übergabe innerhalb eines Schenkkreises geschieht. Die aktive Suche nach neuen Mitgliedern ist aber verboten. Das gilt auch für Leute, die selbst nicht am Schneeballsystem teilnehmen. Deshalb macht sich der Veranstalter selbst strafbar. Wer vorsätzlich einen Schenkkreis betreibt, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Anian Heierli

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