Mit dem letzten Tropfen Kerosin im Tank landete am 17. Februar 2014 das Passagierflugzeug der Ethiopian Airlines in Genf. Auf dem Weg von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba nach Rom wurde die Maschine mit 202 Passagieren an Bord entführt und vom geplanten Kurs abgebracht – durch den Co-Piloten (BLICK berichtete).
Heute hat sich Hailemedhin Abera Tegegn den Fragen von drei Richtern des Bundestrafgerichts in Bellinzona stellen. Zudem ist er von drei Passagieren befragt worden, die sich an Bord der umgeleiteten Maschine befanden. Sie haben sich als Privatkläger konstituiert.
Panik an Bord
Einer der Passagiere hat die Panik beschrieben, die im Flugzeug herrschte, als der Co-Pilot die Herrschaft über die Boeing übernommen hatte. Der Äthiopier hatte das Herabfallen der Sauerstoffmasken in der Kabine ausgelöst, damit die Passagiere auf ihren Plätzen bleiben. Zudem hatte er den Sinkflug eingeleitet.
Eine Flugbegleiterin sagte den Passagieren, dass alles verloren sei und das Flugzeug abstürzen werde. Zahlreiche Passagiere fielen von ihren Sitzen.
Er will immer noch Asyl
«Ich weiss, dass ich ein Verbrechen begangen habe», hat Tegegn in Bellinzona ausgesagt. Seine Aussagen sind übersetzt worden. Er hat seinen Wunsch bestätigt, in der Schweiz politisches Asyl zu beantragen.
Auf die Frage, warum er das Flugzeug nach Genf anstatt nach Rom geflogen habe, hat der Äthiopier geantwortet: «Die Personen, die mich in Äthiopien verfolgen, verfolgen mich auch in Italien.»
«Gestörte Sicht der Realität»
Der Psychiater, der das Gutachten über den Angeklagten verfasste, hat vor Gericht erklärt, dass sich der Mann in einem Delirium befunden habe. «Seine Aussagen zeigen eine völlig gestörte Sicht der Realität.»
Wegen der psychischen Störung habe der Angeklagte das Flugzeug in einem Staat landen wollen, der sonst nicht von den Ethiopian Airlines angeflogen wird, hat der Sachverständige gesagt. Auch dass der Pilot sich aus dem Flugzeug abgeseilt habe, gründe auf dem verwirrten Zustand des Mannes.
Keine Lebenslange Prognose möglich
Der Psychiater hat sich bei der Erstellung einer Prognose hinsichtlich der Entwicklung der schweren Krankheit des Angeklagten zurückhaltend gezeigt. «Es gibt Situationen, in denen man eine lebenslange Prognose machen kann. Im Fall des Angeklagten ist das nicht möglich.»
Der Zustand des Co-Piloten erfordere, dass dieser mehrere Jahre in einer geschlossenen Einrichtung behandelt werde. Der Prozess wird mit der Befragung weiterer Mediziner fortgesetzt. Das Urteil wird am 9. Mai verkündet.
Büro-Betrieb der Luftwaffe enthüllt
Die Flugzeug-Entführung sorgte 2014 auch deshalb für Aufsehen, weil dadurch bekannt wurde, dass die Flieger der Schweizer Luftwaffe aus Kostengründen nicht rund um die Uhr einsatzbereit sind.
Stattdessen mussten damals französische Jets die äthiopische Maschine eskortieren. (cat/mym/SDA)