Die Berufungsverhandlung begann am Montag unter Polizeischutz mit der Befragung von sieben Beschuldigten. Der Haupttäter, ein 42-jähriger Chauffeur aus Zürich, wurde in Fussfesseln in den Saal geführt. Das Kantonsgericht hat für den Fall mehrere Tage eingeplant. Das Urteil wird erst später bekanntgegeben.
Sechs Männer aus dem Raum Zürich hatten den Überfall auf die Hanfplantage in einer Fabrikhalle in Altstätten SG gemeinsam geplant und ausgeführt. Einer von ihnen nahm eine Pumpgun (Gewehr) mit, schoss auf zwei Bewacher der Anlage und verletzte die Opfer schwer. Die Täter flüchteten und riefen eine Ambulanz zum Tatort.
Das Kreisgericht Rheintal verurteilte den Schützen 2017 zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren. Zudem ordnete es eine stationäre Therapie an. Fünf Mittäter, die beim Überfall unterschiedliche Rollen gespielt hatten, erhielten bedingte oder teilbedingte Freiheitsstrafen zwischen zwei und drei Jahren.
Alle Verurteilten bis auf zwei fochten das Urteil an, so dass jetzt das Kantonsgericht den Fall beurteilen muss. Die Beschuldigten fordern mildere Strafen, während die Staatsanwaltschaft für eine Verschärfung plädieren will.
Der Mann, der in Altstätten mit der Pumpgun geschossen hatte, ist mehrfach vorbestraft und befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug. Er war 1997 beim spektakulären Überfall auf die Fraumünsterpost in Zürich dabei, als fünf Männer 53 Millionen Franken erbeuteten. Sie wurden alle gefasst.
Vor dem St. Galler Kantonsgericht beteuerte der Mann, er habe beim Überfall in Altstätten SG nur Gummigeschosse verwenden wollen. Durch eine Verwechslung der Patronen habe er sein Gewehr irrtümlich mit scharfer Munition geladen. Er habe niemanden töten wollen. Dass er die beiden Opfer verletzt habe, tue ihm von Herzen leid.
Die Gruppe habe in Altstätten Drogenhanf stehlen wollen, um ihn so schnell wie möglich zu Geld zu machen. Er selber habe mit einem Anteil von 50'000 Franken gerechnet, sagte der 42-Jährige. Das Gewehr habe er mitgenommen, um allfällige Bewacher zu überwältigen und mit Gummigeschossen kampfunfähig zu machen.
Auf Nachfragen der Richter verstrickte sich der Mann in Widersprüche. So erklärte er, er habe vor dem Überfall verschiedene Sorten von Patronen in einem Waffengeschäft gekauft und in einen Plastiksack geleert. Er habe das Gewehr erst bei der Hanfplantage geladen und dabei im Mondlicht die Patronen verwechselt.
Auf die Frage eines Richters, weshalb er dann beim Laden der Pumpgun fünf genau gleiche Patronen erwischt habe - «die Chance dafür war doch verdammt klein» -, hatte der Beschuldigte keine Erklärung. Zudem musste er sich sagen lassen, dass zur Tatzeit unmöglich der Mond am Himmel sichtbar sein konnte.
Er habe einen «Riesenscheiss gemacht», sagte der Mann. Seit dem Überfall auf die Fraumünsterpost in Zürich werde er den Ruf des Posträubers nicht mehr los. Er wolle weg von Zürich und ein neues Leben beginnen. Gegen eine stationäre Therapie werde er sich mit Händen und Füssen wehren.
Das Kantonsgericht setzt die Verhandlung am Dienstag mit der Befragung von Zeugen fort. Danach folgen die Plädoyers des Staatsanwalts, der Verteidiger und der Opfer-Anwälte.