Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Diffamierung und unlauteren Wettbewerbs. Das Verfahren könnte zu einem landesweiten Präzedenzfall werden.
Hintergrund der Affäre ist ein schwerer Arztfehler in der zur Genolier-Swiss-Medical-Network-Gruppe (GSMN) gehörenden Klinik Sant‘Anna von Sorengo bei Lugano, der landesweit bekannt wurde und von dem Sonntagsmagazin aufgedeckt wurde.
Im Juli 2014 waren einer 67-jährigen Patientin bei einer Operation beide Brüste vollständig entfernt worden, obwohl sie nur an einem kleinen Tumor unter einer Brustwarze litt. Die Patientin wurde informiert, dass der Eingriff nötig gewesen sei.
Erst nachdem sie sich an die Aufsichtskommission gewandt hatte, erfuhr sie die Tatsachen. Die Klinik musste zugeben, dass Patientinnen im Operationssaal verwechselt wurden. Der Chirurg wurde von seinen Aufgaben entbunden.
Klinik erstatte Anzeige gegen Tessiner Zeitung
Die Reporter und die Redaktion des «Café» hatten im Mai 2016 über diesen Fehler berichtet, vermuteten jedoch, dass bei diesem gravierenden Vorfall nicht nur der behandelnde Arzt eine Verantwortung getragen haben könnte, sondern auch strukturelle Probleme in der Klinik selbst der Auslöser waren.
Im Sommer 2016 erstattete die Klinik ohne vorherige Gegendarstellungen Strafanzeige gegen die Reporter und Journalisten, wegen Diffamierung und unlauteren Wettbewerbs. Verwaltungsratspräsident und Ex FDP-Präsident Fulvio Pelli kündigte an einer Medienkonferenz im September 2016 Widerstand gegen die Journalisten an.
Der stellvertretende Tessiner Generalstaatsanwalt Antonio Perugini erhob darauf Strafbefehl gegen die vier Journalisten. Unter anderem soll der Chefredaktor des Sonntagsblattes 60 Tagessätze à 270 Franken bezahlen, bedingt ausgesetzt auf zwei Jahre.
Die Journalisten akzeptierten die Strafbefehle nicht, deshalb kommt es heute zum Prozess vor dem Strafgericht von Bellinzona. Aufgrund des zu erwartenden grossen Besucherandrangs wurde die Gerichtsverhandlung in die Räume des Bundesstrafgerichts verlegt. (SDA)