Die Alarmsignale waren offensichtlich. Viele wussten es, aber niemand griff richtig durch. Wohl vor allem deshalb konnte Sascha I.* (18) im Oktober vor einem Jahr zu seinem fatalen Beil-Amoklauf durch Flums SG ansetzen (BLICK berichtete).
Ab heute muss sich der lettische Teenager wegen seines Blutrauschs vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland verantworten.
Ein schmerzhafter Tag, auch für sieben teils lebensgefährlich verletzte Opfer. Einige von ihnen sind körperlich für ihr Leben gezeichnet, andere psychisch stark angeschlagen. Die schrecklichen Erinnerungen an den Amok und sein Beil werden sie wohl nie mehr los.
Opfer über Nicht-Handeln verärgert
«Am meisten stört es mich, dass die Sache für den zuständigen Psychiater keine Konsequenzen hat. Niemand übernimmt die Verantwortung», ärgert sich eines der Opfer anonym gegenüber BLICK.
Denn der Amok hat eine dunkle Vorgeschichte: Schon im Frühjahr 2017 zeigt der Lehrling der Flumser Jugendarbeiterin T.* diverse Videoclips von Tötungen und tödlichen Unfällen. Dazu eine Machete mit der Aufschrift «Kinderschlachter». Sascha I. sagt zu der Frau, sie habe keine Ahnung, wie krank er sei.
Wurde Sascha I. nicht ernst genommen?
Im Juni 2017 meldet T. den Jugendlichen bei der Kriseninterventionsgruppe des Kantons St. Gallen (KIG). Nach den Sommerferien erstattet dort auch die gewerbliche Berufsschule eine Meldung.
Sascha I. habe im Unterricht davon gesprochen, eine Lehre als Metzger machen zu wollen.
Dies mit der Begründung, er könne dann Tiere schlachten und müsse keine Menschen töten! Trotzdem wird es September, bis die KIG erstmals mit dem Jugendlichen spricht. In der Folge wird zwar eine psychologische Abklärung anberaumt, bis zur Tat aber nicht gestartet.
Man habe den Fall «frühzeitig und konsequent mit der anerkannten Methode des psychologischen Bedrohungsmanagements bearbeitet», sagt KIG-Leiterin Esther Luder.
«Zum damaligen Zeitpunkt gab es weder für Polizei noch für die Staatsanwaltschaft eine Handhabe, um Zwangsmassnahmen oder eine psychiatrische Notfallabklärung anzuordnen.»
Wohl auch, weil Sascha I. nicht wirklich ehrlich war. Dieser soll sich in den Gesprächen laut Luder einsichtig gezeigt haben.
«Schwarzer Humor» und «jugendlicher Blödsinn»
Fatal auch: Kollegen tun seine Äusserungen als «schwarzen Humor» ab. Und sein Stiefvater spricht von «jugendlichem Blödsinn», als ihn BLICK mit einem Fake-Profil im Internet konfrontiert.
Dabei hatte I. sogar Adolf Hitler als seinen Grossvater bezeichnet und das Töten von Kindern als Hobby angegeben. Sein Lieblingsfilm: die Video-Aufnahmen des Schulmassakers von Columbine.
Noch kurz vor der Tat sucht er im Netz nach den Begriffen Amoklauf und Las Vegas Massacre. Erst dann setzt Sascha I. zu seinem eigenen Blutrausch an. Geht nach einem gescheiterten Selbstmordversuch mit einer Axt auf wildfremde Menschen los, versucht, auf ihre Köpfe einzuschlagen.
Angetrieben von seinem Hass auf die Welt
Sein Motiv: Wut auf die Menschheit sowie seine Mutter und starke Minderwertigkeitskomplexe. Erst die Schüsse der Polizei können ihn stoppen.
Die Anklage fordert drei Jahre Haft und eine geschlossene Unterbringung für den Amok. Weil Sascha I. zum Tatzeitpunkt noch nicht volljährig ist, kommt das Jugendstrafrecht zur Anwendung.
Für einige Opfer ein schlechter Witz: «Wir haben für immer zu leiden, aber der soll so schnell wieder rauskommen. Für uns ist das ein Hohn!»
* Namen der Redaktion bekannt