Die Vorwürfe wiegen schwer: Ein ehemaliger Paketbote (36) soll den Inhalt von 43 Paketen gestohlen und den Inhalt weiterverkauft haben. Dafür stand der Beschuldigte am Dienstag vor dem Richter.
Der Bosnier hatte mit dem Scangerät der Post die Pakete so quittiert, als ob sie ausgeliefert worden wären. Allerdings kam bei den Bestellerinnen und Bestellern nie etwas an: Der Beschuldigte verkaufte die Ware in der Schweiz oder schickte sie in seine Heimat Bosnien. Meist hatte er es auf Fernseher abgesehen, aber auch eine Kaffeemaschine, ein Stromgenerator und zwei Velos waren darunter.
Er habe immer damit gerechnet, dass am Tag darauf die Polizei bei der Post auftauche und ihn dort in Empfang nehme, aber nichts sei passiert. «Ich verstehe nicht ganz, weshalb man mich zwei Monate lang hat machen lassen.» Denn freiwillig, so betonte er vor Gericht mehrfach, wurde er nicht zum Kriminellen.
Täter hatte Spielschulden
Mit dem Geld wollte er seine Spielschulden begleichen. Gemäss seiner Anwältin war seine Spielerkarriere «klassisch»: «Schulden wurden mit neuen Schulden beglichen.» Der Schuldenberg betrug irgendwann eine halbe Million Franken. Gläubiger sind rund 70 Personen in der Schweiz und in Bosnien-Herzegowina.
Vor allem Letztere verloren die Geduld mit dem einst spielsüchtigen Beschuldigten. Es habe Drohanrufe gegeben und Whatsapp-Nachrichten, in denen mit dem Niederbrennen seines Elternhauses gedroht wurde, sagte er. Einmal wurde er auch zusammengeschlagen. Zur Strafe schlugen sie zudem Wucherzinsen auf die Beträge.
«Entschuldbarer Notstand»
Für seine Anwältin ist das Aufreissen und Stehlen der Pakete deshalb «ein entschuldbarer Notstand». Der 36-Jährige sei ein «guter und rechtschaffener Mensch», der einmal im Leben eine falsche Abzweigung genommen habe und immer tiefer im Sumpf versunken sei, sagte sie.
Sie forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von 9 Monaten und eine Busse von 1000 Franken. Einen Landesverweis fände sie unverhältnismässig. «Er ist keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.» Wird er des Landes verwiesen, sehen die Schweizer Gläubiger ihrer Ansicht nach zudem definitiv kein Geld mehr, weil sein Lohn nicht weiter gepfändet würde.
Weniger weihnachtlich gestimmt war der Staatsanwalt. «Es ist irrelevant, ob er das Geld für seinen Lebensunterhalt brauchte oder um seine Schulden zu tilgen», sagte er. Er musste dem Beschuldigten allerdings zugutehalten, dass er «immerhin kein Luxusleben finanzierte», sondern in einer Druck-Situation gewesen sei. Schuld mindernd wirke sich auch das Geständnis aus.
Es droht ein Landesverweis
Die Anklage fordert unter anderem wegen gewerbsmässigen Diebstahls und mehrfacher Verletzung des Post- und Fernmeldegesetzes eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten und eine Busse von 1000 Franken. Dazu solle der Beschuldigte für fünf Jahre des Landes verwiesen werden.
Einen Härtefall erkennt der Staatsanwalt beim Beschuldigten nicht. Der 36-jährige ist seit zwölf Jahren in der Schweiz und mit einer Schweizerin mit bosnischen Wurzeln verheiratet. «Zweifelsfrei hätte eine Landesverweisung Einfluss auf die Ehe», sagte der Staatsanwalt.
«Ich schäme mich»
Aber die beiden hätten schon früher eine Fernbeziehung geführt. Kinder wären keine betroffen. In seinem Schlusswort bat der geständige Päckli-Dieb seine ehemalige Arbeitgeberin und auch die Post-Kunden um Entschuldigung, weil sie vergeblich auf ihr Paket gewartet hatten. «Ich schäme mich so.»
Eigentlich sollte das Urteil noch vor Weihnachten fallen - passend zum Fall. Das Bezirksgericht kam am Nachmittag jedoch zum Schluss, dass noch weitere Abklärungen nötig seien. Konkret, ob allenfalls auch Veruntreuung als Straftatbestand infrage kommen könnte, nicht der von der Anklage geforderte gewerbsmässige Diebstahl.
Für den 36-jährigen Bosnier könnte diese Zusatzrunde im Januar oder Februar zu einem verspäteten Weihnachtsgeschenk werden, denn bei Veruntreuung droht nicht automatisch ein Landesverweis. Bei gewerbsmässigem Diebstahl theoretisch schon. (SDA)