Alexandra A.* (31) ist verzweifelt. Die Zürcherin leidet seit ihrer Kindheit an einer Kieferfehlstellung. Die Rücklage ihres Unterkiefers verhindert, dass sie ihre Lippen normal schliessen kann. Gleichzeitig verursacht die Fehlstellung, dass ihr Nacken verspannt ist. Damit nicht genug: A. kämpft mit schweren Migräneattacken, hat Schlafprobleme, chronische Kiefer- und Rückenschmerzen und ist ständig erschöpft.
Und: «Ich habe auch beim Atmen Probleme und bekomme nicht gut Luft», erklärt sie. Die Symptome führen dazu, dass A. seit Jahren nicht arbeiten kann. «Ich bin extrem eingeschränkt in meinem Leben.» Auch psychische Folgen hat die Fehlstellung. Die Lösung wäre in der Theorie einfach: Eine Kieferoperation, bei der die Fehlstellung behoben wird. Doch in der Praxis ist es komplizierter.
Schon im Alter von zwölf Jahren stellen Ärzte die Fehlstellung bei Alexandra A. fest. Seither geht es ihr immer schlechter. Vor dreieinhalb Jahren entschied sich die Frau dazu, sich in Augsburg (D) operieren zu lassen – auf eigene Kosten. Denn: Ihre Schweizer Krankenkasse übernimmt die Kosten für den Eingriff nicht.
«Das ist unverständlich für mich»
Das Resultat ist ernüchternd: Die OP in Deutschland bringt nichts. Im Gegenteil: Alles wird schlimmer. Ärzte raten ihr zu einer erneuten Operation. Deren Kosten: 43000 Franken. Zu diesem Zeitpunkt stellte diese erneute Operation jedoch keine Pflichtleistung der obligatorischen Krankenversicherung dar.
Die neusten medizinischen Berichte zeigen jedoch, dass die Patientin wegen ihrer Fehlstellung am Schlafapnoesyndrom leidet. «Ich habe nachts Atemaussetzer und wache immer wieder mit einem Erstickungsgefühl auf. So finde ich praktisch nie Ruhe.» Damit die Krankenkasse die Kosten für diese Operation übernimmt, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Die Kasse übernimmt die Kosten nur, wenn ein Schlafapnoesyndrom vorliegt, jemand eine schwere Störung des Schluckens hat oder Schädel-Gesichtsasymmetrien bestehen.
Damit erfüllt A. eines der Kriterien. Trotzdem lehnt die Krankenkasse Sympany die Kostengutsprache ab. Ohne es zu begründen. «Es ist eine schlimme Situation für mich. In den letzten dreieinhalb Jahren habe ich rund ein Dutzend Gesuche eingereicht.» Ohne Erfolg. Mehr noch: Sympany wimmelt A. ab. Als die Krankenkasse das vorerst letzte Gesuch der Zürcherin ablehnt, schreibt sie, dass sie künftige Gesuche nicht mehr prüfe – dies würde sowieso nicht zu neuen Erkenntnissen führen.
«Das ist unverständlich für mich, es kann immer neue Erkenntnisse geben», sagt A. Die Bitte einer Ärztin um ein gemeinsames Gespräch mit einer Ansprechperson von Sympany habe die Krankenkasse ignoriert. Die Zürcherin fühlt sich von der Krankenkasse im Stich gelassen. «Ich kann nicht nachvollziehen, dass die Gesetze solche Dinge nicht auffangen. So viele Ärzte haben mir bestätigt, dass die Operation nötig ist.»
Missverständlich formuliert
Auf Anfrage von Blick erklärt die Krankenkasse Sympany, dass ihr letztes Schreiben «leider missverständlich formuliert war». Die Aussage, dass eine weitere Prüfung künftig keine neuen Erkenntnisse bringe und darum in Zukunft keine Gesuche mehr geprüft würden, habe man gegenüber A. falsch formuliert. Eine solche Aussage könne man gemäss den gesetzlichen Bestimmungen gar nicht machen, sagt Sympany.
Laut der Krankenkasse präsentiere sich die Lage wie folgt: Sympany hat im November 2021 eine Verfügung erstellt, da die Kieferfehlstellung von A. zu wenig stark sei, als dass die Krankenkasse die Kosten für eine OP übernehmen würde. A. habe gegen diesen Entscheid keine Einsprache erhoben. Daher sei die Verfügung rechtskräftig geworden.
Fall wird erneut geprüft
Es gebe jedoch die Möglichkeit einer Revision, wenn erheblich neue Tatsachen entdeckt würden. Dies sei bis Ende 2022 nicht der Fall gewesen. Man werde den Anspruch auf eine Pflichtleistung aber weiter prüfen. «Sollten nach wie vor keine erheblichen neuen Tatsachen vorhanden sein, werden wir eine Kostengutsprache mit Verweis auf die Verfügung ablehnen», schreibt die Versicherung.
Bei Kieferfehlstellungen müsse laut Gesetz aber nicht die Fehlstellung selbst schwer sein, sondern ihre Krankheitsfolge – das heisst beispielsweise das Schlafapnoesyndrom. Diese Voraussetzung gelte es im Fall von A. nun zu überprüfen.
Alexandra A. hofft auf eine schnelle Lösung: «Ich bin jetzt 31. Das sollten die besten Jahre meines Lebens sein. Aber mein Leben dreht sich seit sechs Jahren nur um mein Leiden.»
*Name bekannt
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