Ich möchte dir etwas erzählen, aber du darfst mit niemandem darüber sprechen.» Es war 1986, als Susanne Günter diesen Satz hörte. Ein Bekannter weihte sie ein in eines der bestgehüteten Geheimnisse der Schweizer Nachkriegsgeschichte. Die Existenz der P-26. Dann fragte er, ob sie sich anschliessen wolle.
«Ich musste nicht lange überlegen», sagt Susanne Günter (74). Fortan führt sie ein Doppelleben. Im Alltag gibt sie die angesehene Chefin eines Schaffhauser Familienbetriebs. Doch an einigen Wochenenden im Jahr taucht sie ab. Medizinische Weiterbildungen, sagt sie ihrem Lebenspartner. Tatsächlich eignet sie sich in einem Bunker bei Gstaad Techniken des Widerstandskampfs an.
In aller Munde
Günter erhält einen Decknamen, Veronika, eine Mission, Kurierchefin der Widerstandsregion 56 Schaffhausen, und knifflige Aufgaben. Sie lernt, Verstecke und Fluchtwege zu erkunden. Sie tippt Botschaften in eine Chiffriermaschine. Bei Probeeinsätzen in Neuenburg und Yverdon übt sie die Bedienung von toten Briefkästen. Und ja, auch im Umgang mit der Pistole wird sie geschult. «Natürlich wurde ich an der Waffe ausgebildet!», sagt sie. «Im Notfall mussten wir uns ja verteidigen können.»
Jetzt ist die P-26 wieder in aller Munde. Der Grund: Der Tod von Hans-Rudolf Strasser, Deckname Franz, einstiger Sprecher des Militärdepartements und Kader der P-26. Seine Anfang Woche erschienene Todesanzeige ist eine bittere Abrechnung mit alt Bundesrat Kaspar Villiger (75). Er liess Strasser nach der Enttarnung der P-26 im Jahr 1990 sofort fallen.
«Das hat den Franz fast umgebracht», sagt Günter. «Er war so ein begabter Instruktor. Herzensgut, bescheiden und absolut überzeugt von unserer Sache.» Trotzdem stehen die Fragen nun wieder im Raum: War die P-26 ein bewaffneter, antidemokratischer Staat im Staat? Ein Freizeitvergnügen für übereifrige Armeekader? Oder ein ehrenvoller Verbund von Patrioten?
Geheimarmee? Lächerlich!
Für Susanne Günter, eines der letzten bekannten Mitglieder der P-26, ist die Sache klar. «Eine Geheimarmee? Lächerlich! Wir wurden ausgebildet, um im Ernstfall eine Widerstandsorganisation aufzubauen. Eine Résistance, zum Wohl der Eidgenossenschaft. Keine Armee!»
Die Kritik, P-26 sei politisch nicht beaufsichtigt worden, findet Günter abwegig. «Eine Widerstandsorganisation muss geheim sein. Fliegt sie auf, ist sie wertlos.» Zudem habe man damals die Bedrohung durch die Sowjetunion immer gespürt. «Wenige Hundert Kilometer entfernt standen die Panzer. Sie hätten jederzeit losrollen können. Es war eine andere Zeit.»
Und heute? Wie würde sie reagieren, wenn publik würde, dass die Armee eine Geheimtruppe im rechtsstaatlichen Graubereich unterhält? «Es würde mich nicht überraschen», sagt Susanne Günter alias Veronika. «Im Gegenteil. Ich hoffe, dass der Staat sich vorsieht.»
Während des Kalten Krieges unterhielten besorgte Armeekader eine brisante Geheimtruppe, die sogenannte P-26 (Projekt 26). Die Mission: die Stärkung des Widerstandswillens der Bevölkerung im Falle einer Besatzung der Schweiz. Das Geld für die P-26 kam aus der Bundeskasse. Doch demokratische Aufsicht gab es kaum. Als die P-26 1990 aufflog, gehörten ihr rund 400 Mitglieder an. Zu ihnen zählte auch der kürzlich verstorbene Hans-Rudolf Strasser (Bild links). Er war Sprecher im Militärdepartement von alt Bundesrat Kaspar Villiger (oben) gewesen, wurde vom FDP-Magistraten aber wegen der P-26 in die Wüste geschickt. 2009 dankte der Bundesrat den Mitgliedern der P-26 für ihren Einsatz und hob ihre Schweigepflicht offiziell auf.
Während des Kalten Krieges unterhielten besorgte Armeekader eine brisante Geheimtruppe, die sogenannte P-26 (Projekt 26). Die Mission: die Stärkung des Widerstandswillens der Bevölkerung im Falle einer Besatzung der Schweiz. Das Geld für die P-26 kam aus der Bundeskasse. Doch demokratische Aufsicht gab es kaum. Als die P-26 1990 aufflog, gehörten ihr rund 400 Mitglieder an. Zu ihnen zählte auch der kürzlich verstorbene Hans-Rudolf Strasser (Bild links). Er war Sprecher im Militärdepartement von alt Bundesrat Kaspar Villiger (oben) gewesen, wurde vom FDP-Magistraten aber wegen der P-26 in die Wüste geschickt. 2009 dankte der Bundesrat den Mitgliedern der P-26 für ihren Einsatz und hob ihre Schweigepflicht offiziell auf.