Herr Yildirim, vor einigen Wochen posteten Sie auf Instagram ein Bild, auf dem Sie mit einer Auszeichnung für sieben Milliarden Streams zu sehen sind.
Ozan Yildirim: Ja, das ist eine Auszeichnung, die ich von meinem Management erhalten habe. Sie haben errechnet, wie oft meine Musik zwischen 2016 und 2020 auf allen Plattformen zusammen gestreamt wurde. Allerdings fehlen etliche Stücke. Und es sind schon wieder zwei Jahre vergangen. Drum liegt die Zahl der Streams mittlerweile bei über neun Milliarden.
Wie schaffen Sie es, inmitten dieses rasend schnellen Geschäfts aufzufallen?
Indem ich mir überlege, wo es für den Künstler oder die Künstlerin hingeht. Ich versuche beim Produzieren vorauszudenken. Ausserdem lasse ich mich von verschiedenen Musikstilen inspirieren. Ich produziere ja nicht nur Hip-Hop. Ich probiere mich in allen möglichen Genres. Das zeige ich einfach selten jemandem.
Wie ist die Sache ins Rollen gekommen?
Ich habe früh angefangen, produziere schon seit 2005. Richtig seriös wurde es dann ab 2012. Da kamen dann die ersten Platzierungen auf US-Alben zustande. Seit 2013 arbeite ich mit Travis Scott zusammen. Damals war er noch keine wirklich grosse Nummer. Trotzdem hat es zuvor eineinhalb Jahre gedauert, bis er sich überhaupt mal einen meiner Beats auch nur angehört hat. Mittlerweile haben wir einige Hits zusammen gemacht – und er ist einer der erfolgreichsten Rapper überhaupt.
Ozan Yildirim alias OZ (30) wuchs in Wattwil im Toggenburg SG auf. Später zog die Familie nach Gibswil bei Rüti ZH, dann wohnte er in Wald ZH. Seinen aktuellen Wohnort gibt er nicht bekannt. Er machte eine Lehre im Detailhandel und arbeitete bis 2016 beim Haushaltselektroniker Fust. 2005 begann er Beats zu produzieren. 2013 gelang ihm der Sprung nach Amerika. Seither produziert er für Künstler wie Travis Scott, Future, DJ Khaled, Rick Ross, Jack Harlow, Young Thug, 21 Savage oder Drake. Für den kanadischen Superstar hat er schon an die zwanzig Songs mit komponiert. Er war unter anderem massgeblich an den Nummer-1-Hits «Sicko Mode», «Highest in the Room» und «Toosie Slide» beteiligt.
Ozan Yildirim alias OZ (30) wuchs in Wattwil im Toggenburg SG auf. Später zog die Familie nach Gibswil bei Rüti ZH, dann wohnte er in Wald ZH. Seinen aktuellen Wohnort gibt er nicht bekannt. Er machte eine Lehre im Detailhandel und arbeitete bis 2016 beim Haushaltselektroniker Fust. 2005 begann er Beats zu produzieren. 2013 gelang ihm der Sprung nach Amerika. Seither produziert er für Künstler wie Travis Scott, Future, DJ Khaled, Rick Ross, Jack Harlow, Young Thug, 21 Savage oder Drake. Für den kanadischen Superstar hat er schon an die zwanzig Songs mit komponiert. Er war unter anderem massgeblich an den Nummer-1-Hits «Sicko Mode», «Highest in the Room» und «Toosie Slide» beteiligt.
Zum Beispiel «Sicko Mode» von 2018. Da steht der Zähler allein auf Spotify bei 1,7 Milliarden Streams. Wie lautete das Briefing?
Das Briefing?
Sagen Ihnen die Künstler nicht, was sie genau wollen?
Nein. Die sagen einfach: «Ich brauche einen Clubhit» oder «Ich will eine Hymne für die Strasse». Weitere Angaben bekommt man nicht. Da muss man sich selber reindenken, muss versuchen den Künstler zu verstehen – was zu ihm passt und wo er hinwill. Es ist wie beim Pokern.
Am Schluss bestellt jeder Hits – aber nur die wenigsten Songs werden zu Hits.
Genau. Man hofft darauf, dass man auf den Alben vertreten ist. Wenn man noch mehr Glück hat, wird aus dem Song, an dem du beteiligt bist, eine Single. Aber dass daraus schlussendlich ein Hit wird, dafür müssen extrem viele Faktoren stimmen.
Sie haben es geschafft, Hits zu landen, mit Songs, die nicht dem typischen Clubhit-Format entsprechen.
Ich habe mich immer nach einem Hit gesehnt – und es schlussendlich mit Tracks geschafft, die erst mal gar nicht danach klingen und für die ich meinen Style kein bisschen ändern musste. Hören Sie sich mal «Sicko Mode», «Life Is Good» oder «Highest in the Room» an. Das hätte wirklich niemand erwartet! Kommt dazu, dass «Sicko Mode» nach der Fertigstellung neun Monate herumlag. Ich hab daran gezweifelt, dass er je erscheinen würde. Dazu muss man wissen, dass Rapper oft ihre Meinung ändern. Solange das Album nicht abgegeben worden ist, kann es sein, dass fix fertig produzierte Songs einfach wieder wegfallen oder ersetzt werden. Darum ist es so wichtig, etwas zu produzieren, dass fresh und neu ist, aber auch zeitlos.
Wie behält man da die Nerven?
Indem man sich nicht beirren lässt und immer weitermacht. Weiter Beats schickt. «Keep going!» heisst die Devise. Man kriegt meistens keine Antwort. Das ist einfach so.
Zu zwei Künstlern haben Sie ein besonderes Verhältnis: Zu dem bereits erwähnten Travis Scott sowie zum kanadischen Superstar Drake – wieso genau zu diesen beiden?
Die Harmonie stimmt. Beide sind offen für Neues. Und sie wissen, dass ich immer für eine Überraschung gut bin. Andere Produzenten haben viel eher ihren Stil. Zu denen geht man, wenn man ganz konkret etwas sucht: einen Clubhit, eine R&B-Nummer, eine Strassenhymne, ein entspanntes Stück – ich kann das alles.
Auf dem letztjährigen Album von Drake haben Sie an vier Songs mitgearbeitet, auf dem diesjährigen ebenfalls. Wie viele Beats haben Sie dafür nach Kanada geschickt?
Schwer zu sagen. So genau weiss ich das nicht mehr. Vielleicht je um die 40?
Sie haben es erwähnt: Die Pandemie hat Ihnen in die Karten gespielt. Sie haben dann auch einen der grössten Songs dieser Pandemie produziert: «Toosie Slide» von Drake. Im Video tanzt der Künstler allein durch sein Haus in Toronto.
Wenn ich den Song höre, versetzt er mich auch immer gleich wieder in die Anfangsphase der Pandemie zurück. Ein Meilenstein für mich, weil der gesamte Beat komplett von mir ist: die Melodie, die Drums, alles. Es war die erste Single des Albums und landete gleich auf der 1. Das hat unter anderem dazu geführt, dass ich bei Billboard gleichzeitig als erfolgreichster Produzent und Songwriter aufgelistet wurde. Als sechster Mensch überhaupt.
Drake hat schon um die 20 Tracks mit Beats von Ihnen veröffentlicht. Bedeutet er nicht ein riesiges Klumpenrisiko für Sie?
Nein, da bestünde nur Gefahr, wenn ich nur eine Stilrichtung beherrschen würde. Ich entwickle mich ständig weiter. Meine letzten zehn Beats klingen alle komplett unterschiedlich.
Aber Sicherheit haben Sie nicht?
Nein, die gibt es nicht. Die Zuhörerschaft entscheidet ja, was ein Hit wird. Aber eine Platzierung zu erreichen, ist mit meinem jetzigen Standing schon einfacher. Zudem arbeite ich immer im Voraus. Wenn dann der Anruf kommt, schiesse ich gleich aus allen Rohren.
Wenn man Ihnen auf Instagram folgt, sieht man Sie öfters in Zürich. Doch Sie sind fast wie ein Phantom: Man kommt kaum an Sie heran.
(Lacht) Nicht übertreiben! Ich bin oft in Zürich unterwegs. Aber mittlerweile hab ich doch einiges am Laufen und zwei Kinder zu Hause. Da fehlt die Zeit für ausgedehntes Flanieren oder Partybesuche. Und im Mittelpunkt stehen muss ich auch nicht ständig.
Wo sind Sie aufgewachsen?
Ursprünglich in Wattwil im Toggenburg. Dann sind wir ins Zürcher Oberland nach Gibswil gezogen, direkt neben Rüti. Damals war ich 15. Später hatte ich mein Studio in Wald. Aber den Toggenburger Dialekt krieg nicht mehr weg! (lacht)
Und wo wohnen Sie jetzt?
Das ist ganz offiziell unbekannt! (grinst) Aber nicht allzu weit weg von Zürich.
Fühlen Sie sich als Zürcher?
Ja, irgendwie schon. Zürich ist meine Stadt – auch wenn ich nicht direkt hier wohne. Auch meine Freunde aus dem Ausland sind immer alle ganz begeistert. Wir haben hier ja alles. Man muss gar nicht nach LA.
Aber überlegt haben Sie sich das sicher schon.
Klar. Sicher einmal pro Jahr. Aber ganz ehrlich: Ich profitiere davon, dass ich hier bin. Wenn ich in LA wohnen würde, wäre ich einer von Hunderten. Jetzt bin ich der Schweizer. Ein Mysterium. Und wenn ich dann mal in den Staaten bin, werde ich mit Anfragen überhäuft.
Den amerikanischen Lifestyle scheinen Sie aber zu mögen. Sie sind hier mit einem weissen Rolls-Royce vorgefahren. Und wenn man Ihren Posts auf Social Media glaubt, dann ist das nicht das einzig teure Auto, das Sie besitzen.
Stimmt. Ich mag den Lifestyle. Der gehört für mich auch zur Kultur. Es gehört für mich zum Lebensgefühl dazu. Ich mag Schmuck, ich mag Uhren, ich mag Autos, ich mag Luxus. Diese Dinge inspirieren mich. Und ich habe absolut kein Problem damit, das zu zeigen. Ja, ich fahre mit meinem 400'000-fränkigen Rolls-Royce durch Zürich. Und ja: Ich finde meistens einen Parkplatz.
Sie sind einfach ziemlich allein mit dieser Einstellung und diesem Budget.
Stimmt auch. Trotzdem sagen meine Freunde, wenn ich mit lauter Musik und offenem Fenster durch Zürich fahre: «Wenn einer das darf, dann du.»
Ist das nicht trotzdem hirnrissig? Einmal Schlüssel umdrehen und das Auto ist halb so viel wert?
Nicht bei diesen Autos. Die kann man später mit Gewinn verkaufen.
Sie sind erst 30. Was soll da noch kommen?
Da gibts schon noch ein paar nette Sachen. Aber klar: Ich habe den Rolls-Royce jetzt schon fast zwei Jahre. Es ist nicht mehr das gleiche Gefühl wie in der ersten Woche. Man gewöhnt sich an alles. Vielleicht hole ich mir trotzdem bald das grössere Modell. Sehen Sie: Meine musikalischen Ziele sind so hoch gesteckt, dass ich mir, wenn ich sie dann tatsächlich erreiche, gerne mal was leiste.
Was sind das für Ziele?
Ich würde zum Beispiel gerne für The Weeknd oder für Kendrick Lamar produzieren. Bei beiden bin ich seit einer ganzen Weile dran.
Das müsste doch im Bereich des Möglichen sein – zumal The Weeknd ja einst eng verbunden war mit Drake.
Die Möglichkeiten sind tatsächlich da. Ich kenne deren Manager. Aber bislang hat es halt einfach nicht funktioniert.
Wie meinen Sie das?
Ich habe einfach noch nicht die richtigen Beats zum richtigen Zeitpunkt geschickt.
Ah, Sie sind schon ganz konkret am Anklopfen!
Ja, bei Kendrick seit gut einem Jahr. Bei The Weeknd sicher schon zwei Jahre. Da habe ich allerdings auf den falschen Sound gesetzt. Er ist ja stark in Richtung Pop gegangen auf den letzten beiden Alben. Mein Ansatz war komplett anders. Meine Beats wären fehl am Platz gewesen.