«Wir zahlen 20'000 Franken für jedes Kind»
Ein Dorf will überleben

Quinten SG ist ein beliebtes Ausflugsziel. Doch kaum jemand wohnt dort das ganze Jahr. Nun kämpft eine IG für den Erhalt des Dorflebens – mit Geld.
Publiziert: 26.01.2020 um 12:30 Uhr
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Quinten am Walensee: Das Dorf ist idyllisch zwischen Weinreben gelegen – besonders warmes Klima lässt hier sogar Kiwi wachsen.
Foto: Thomas Meier
Cyrill Pinto

Quinten am Walensee ist bekannt für sein angenehmes Klima. Weil das St. Galler Dorf auf der Sonnenseite des Sees liegt, wachsen hier sogar Kiwis.

Eine ideale Wohngemeinde für Familien, könnte man meinen. Doch die Sache hat einen Haken: Wer nach Quinten will, muss das Schiff nehmen – die Überfahrt vom gegenüberliegenden Murg SG dauert zehn Minuten. Eine Autostrasse gibt es nicht, bloss einen Wanderweg. Zweieinhalb Stunden dauert der Marsch nach Walenstadt SG.

Noch knapp 40 Einwohner

Kein Wunder, leben immer weniger Menschen das ganze Jahr über dort. Vor 100 Jahren waren es über 200, 2004 noch 56 Personen, heute hat Quinten knapp 40 Einwohner.

Doch die stemmen sich gegen diese Entwicklung: Sie gründeten die IG Quinten lebt. Joel Schmid (53) zeigt SonntagsBlick ein über 100 Jahre altes Haus im Dorfkern, das derzeit komplett saniert wird. In den unteren von vier Etagen entstehen eine Beiz mit kleinem Souvenirgeschäft und eine Herberge mit fünf Zimmern. In den obersten beiden Geschossen werden zwei grosse Familienwohnungen eingerichtet.

600 Franken pro Monat für fünfköpfige Familie

Damit tatsächlich Fami­lien nach Quinten ziehen, macht ihnen die Stiftung «Quinten lebt» ein verlockendes Angebot: «Wir zahlen für jedes Kind 200 Franken pro Monat», verspricht Joel Schmid. Eine fünfköpfige Familie käme so auf einen Zustupf von monatlich 600 Franken. Die Stiftung zahlt bis zum 20. Altersjahr, maximal 20'000 Franken pro Kind. 2,5 Millionen investiert sie in die Sanierung des Hauses, weitere Mittel stehen für neue Familien zur Verfügung.

Damit will die Bürgergruppe das Dorf vor dem Aussterben bewahren. «Wir müssen das Heft selbst in die Hand nehmen», sagt Schmid, der aus Chur stammt und erst vor ein paar Jahren nach Quinten gezogen ist. «Abends blicke ich auf die andere Seeseite hinüber – es gibt nichts Entspannenderes», schwärmt er. Politisch gehört Quinten zu Quarten auf der gegenüberliegenden Seeseite. Die Quintner fühlen sich von der anderen Seite nicht immer ernst genommen.

Internet nur über 4G-Mobilnetz

Unter anderem kämpfen sie für den Erhalt der Postzustellung. Ein Kupferkabel, das die Gemeinde mit dem Internet verbinden sollte, ist defekt, seither ist Quinten nur übers 4G-Mobilnetz ans Web angeschlossen. «Bei viel Verkehr auf der anderen Seeseite ist deshalb E-Banking hier sehr langsam», sagt Joel Schmid. Ab kommendem Sommer soll eine Richtstrahlantenne schnelleres Internet bringen.

Die Stiftung arbeitet zudem an einer besseren ÖV-Anbindung – per Solartaxi: «Die Verbindung per Schiff muss auch am späten Abend gewährleistet sein – heute ist das nicht immer so.» Geht es nach den Plänen der IG «Quinten lebt», soll deshalb ab 2021 ein mit Sonnenenergie betriebener Katamaran auf dem Walensee verkehren.

Albinen macht es vor

Gemeinden, die vom Aussterben bedroht sind, versuchen gezielt, neue Familien anzusiedeln. Dass dabei finanzielle Anreize helfen können, macht die Gemeinde Albinen im Oberwallis vor.
2017 versprach die Gemeindeversammlung allen, die neu nach Albinen ziehen, eine Hilfszahlung. Das Medienecho war ­riesig, entsprechend gross war die Flut von Bewerbern. Und heute?

Bis Ende 2019 zogen vier Familien mit insgesamt sechs Kindern nach Albinen, weitere sechs Personen erhielten von der Gemeinde Beiträge für einen Hauskauf oder Umbau. «Insgesamt 410'000 Franken hat die Gemeinde ­bisher bewilligt», sagt ­Gemeindepräsident Beat Jost (64), «die Aktion ist ein voller Erfolg.» Das nächste Projekt ist bereits gestartet: Mit Albijou bewirtschaftet die Gemeinde leer stehende Ferienwohnungen, um das Dorf zusätzlich zu beleben.

Gemeinden, die vom Aussterben bedroht sind, versuchen gezielt, neue Familien anzusiedeln. Dass dabei finanzielle Anreize helfen können, macht die Gemeinde Albinen im Oberwallis vor.
2017 versprach die Gemeindeversammlung allen, die neu nach Albinen ziehen, eine Hilfszahlung. Das Medienecho war ­riesig, entsprechend gross war die Flut von Bewerbern. Und heute?

Bis Ende 2019 zogen vier Familien mit insgesamt sechs Kindern nach Albinen, weitere sechs Personen erhielten von der Gemeinde Beiträge für einen Hauskauf oder Umbau. «Insgesamt 410'000 Franken hat die Gemeinde ­bisher bewilligt», sagt ­Gemeindepräsident Beat Jost (64), «die Aktion ist ein voller Erfolg.» Das nächste Projekt ist bereits gestartet: Mit Albijou bewirtschaftet die Gemeinde leer stehende Ferienwohnungen, um das Dorf zusätzlich zu beleben.

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