Weil sich seine Mutter wehrt, soll Noel (10) von der Schule fliegen
«Dieser Schulweg ist unzumutbar!»

Noel (10) aus Märwil TG ist jeden Tag fast zwei Stunden allein unterwegs. Mutter Liliane Gundlach fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen.
Publiziert: 21.10.2017 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:11 Uhr
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Liliane Gundlach (52) kämpft für Sohn Noel (10) um einen sicheren Weg in die Schule. Sie ist überzeugt, dass die Strecken unzumutbar sind und der Bub Anrecht auf einen Transport in die Schule hätte.
Foto: Marcel Sauder
Marco Latzer

Zwei goldene Wochen Herbstferien sind zu Ende. Am Montag muss Noel (10) wieder zur Schule, und das ist ein weiter Weg. Der Viertklässler von einem Hof in der ländlichen Gemeinde Märwil TG muss mit seinem Velo wieder drei verschiedene Schulhäuser anfahren. Und jedes liegt je zwei bis drei Kilometer von seinem Zuhause entfernt.

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Von der städtischen ÖV-Reise bis zum idyllischen Bergpfad: In der Schweiz ist Schulweg nicht gleich Schulweg. BLICK sucht die aussergewöhnlichsten Wege in die Schulstube.

Das heisst nicht unbedingt, dass die Strecke wie bei Noel (10) besonders lang sein muss. Vielleicht ist der Schulweg Ihres Kindes besonders idyllisch? Oder Ihr Sprössling muss per Seilbahn in die Schule?

Schön – oder schön gefährlich: Schicken Sie uns Ihre ausserordentlichen Schulweg-Bilder auf redaktion@blick.ch oder per Whatsapp auf die Nummer 079 813 80 41.

Die besten Fotos und Geschichten werden im BLICK veröffentlicht.

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TCS

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Das Problem: Seine Schulwege führen über einsame Wald- und Kieswege, die im Winter nicht geräumt werden. Oder alternativ über die Hauptstrasse, die in der Region als Raserstrecke berüchtigt ist. Immer wieder kommt es zu Unfällen. 2014 wurde in der Nähe von Noels Daheim gar eine Jugendliche (†15) überfahren und getötet. Sie war auf dem Schulweg.

Verhärtete Fronten

«Ich habe schon ein mulmiges Gefühl», sagt Noel, als BLICK ihn darauf anspricht, dass er den gefährlichen Weg morgens in der Dunkelheit alleine zurücklegen soll. Sein Mami Liliane Gundlach (52) ist wütend: «Die Schule stellt sich absolut quer. Sie behauptet, der Schulweg sei Sache der Eltern.»

Die Frau ist alleinerziehend, berufstätig und hat nicht die Möglichkeit, den Buben mehrmals täglich zu chauffieren. Dazu kommt: Die Eltern der Nachbarskinder haben zwar einen eigenen Fahrdienst auf die Beine gestellt, doch deren Kinder gehen an eine andere Schule. Gundlachs Sohn muss die Strecken, jede bis zu einer halben Stunde lang, dagegen alleine mehrmals täglich abradeln. Jeden Tag zwei Stunden oder länger Velo fahren!

Jetzt soll der Bub an eine andere Schule

«Wir wohnen hier und bezahlen Steuern. Trotzdem verweigert die Schule jeden Dialog. Dabei liesse sich die Sache ganz einfach regeln», ist die Mutter überzeugt. Ein Schulbus wäre für sie die perfekte Lösung. Den bietet die Schule aber nur bis zur dritten Klasse an.

Ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Die betroffene Schule, die PSG Regio Märwil, liess Ende September einen runden Tisch kurzfristig platzen. Stattdessen schickt sie Gundlach dicke Post: «Die Schulbehörde PSG Regio Märwil hat anlässlich einer ausserordentlichen Behördensitzung entschieden, dem Amt für Volksschule einen Antrag auf möglichst rasche Umteilung von Noel in eine andere Schule zu stellen.»

Als Begründung für den Wechsel führt die Behörde den Kommunikationsstil der Mutter an. Dieser sei respektlos, es fehle an Kooperation. Die Mutter wehrt sich: «Die schreiben im Brief von Kindeswohl, setzen mein Kind aber dieser Strecke aus. Weil ich mich dagegen zur Wehr setze, soll Noel die Schule verlassen!»

Behörde weist Kritik zurück

Renata Franciello, Interimspräsidentin der Schulbehörde, weist die harsche Kritik zurück. Zur möglichen Versetzung des Buben dürfe sie sich nicht äussern. «Frau Gundlach hätte bei uns ein Gesuch, einen ausserordentlichen Antrag für den Transport ihres Kindes einreichen können.» Dieser sei aber bis dato nicht eingegangen. «Somit wurde das Anliegen auch nicht geprüft», so Franciello.

Liliane Gundlach lässt das nicht gelten: «Ich wollte zuvor das Gespräch suchen, bevor ich wieder 500 Franken in einen Rekurs stecke, der ohnehin abgelehnt wird.»

Klar ist: Wird der Bub zwangsversetzt, dürfte sein Schulweg noch länger werden.

Wann ist ein Schulweg zumutbar?

Schulen stellen sich häufig auf den Standpunkt, dass die Eltern für den Schulweg ihres Kindes zuständig seien. «Das stimmt aber nicht immer», sagt Schulweg-Experte Pascal Regli vom Fachverband Fussverkehr Schweiz. «Dieser Grundsatz bezieht sich einzig und alleine auf zumutbare Schulwege.»

Ob ein Schulweg zumutbar ist, hängt von mehreren Kriterien ab: Das Alter des Kindes, die Art des Schulweges (Topografie, Beleuchtung usw.) und Gefahrenfaktoren wie Verkehr oder gefährliche Kreuzungen spielen eine Rolle. «Jeder Fall ist für sich einzigartig. Es gibt deshalb keine allgemeine Praxis», so Regli.

Das gilt auch für zurückzulegende Distanzen. 1,5 Kilometer und 30 Minuten Laufzeit gelten in der Regel als zumutbar – wenn daheim eine halbstündige Mittagszeit eingelegt werden kann.

Wird der Schulweg als unzumutbar eingestuft, ist in der Regel die Schule für den Transport (mit)verantwortlich.

Schulen stellen sich häufig auf den Standpunkt, dass die Eltern für den Schulweg ihres Kindes zuständig seien. «Das stimmt aber nicht immer», sagt Schulweg-Experte Pascal Regli vom Fachverband Fussverkehr Schweiz. «Dieser Grundsatz bezieht sich einzig und alleine auf zumutbare Schulwege.»

Ob ein Schulweg zumutbar ist, hängt von mehreren Kriterien ab: Das Alter des Kindes, die Art des Schulweges (Topografie, Beleuchtung usw.) und Gefahrenfaktoren wie Verkehr oder gefährliche Kreuzungen spielen eine Rolle. «Jeder Fall ist für sich einzigartig. Es gibt deshalb keine allgemeine Praxis», so Regli.

Das gilt auch für zurückzulegende Distanzen. 1,5 Kilometer und 30 Minuten Laufzeit gelten in der Regel als zumutbar – wenn daheim eine halbstündige Mittagszeit eingelegt werden kann.

Wird der Schulweg als unzumutbar eingestuft, ist in der Regel die Schule für den Transport (mit)verantwortlich.

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