Vernichtendes Zeugnis für Thurgauer Behörden im Fall Hefenhofen
Chronologie des Versagens

Ulrich K. war den Thurgauer Behörden zu brutal. Statt den schlimmsten Tierquäler der Schweiz zu stoppen, verzettelten sie sich in Abklärungen, Analysen und Kompromissen. So lief die Kapitulation vor Ulrich K.
Publiziert: 01.11.2018 um 09:53 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2018 um 10:06 Uhr
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Behördenschreck: Die Thurgauer Behörden trauten sich nicht, Tierquäler Ulrich K. zu stoppen.
Foto: Tele Top
Marco Latzer

Es gab einmal eine Zeit, da war Hefenhofen TG ein Kaff mit elf Weilern, das über die Region hinaus kein Mensch kannte. Seit dem Sommer 2017 ist der Ort in aller Munde. Zu Recht, wie der gestern veröffentlichte Bericht einer externen Untersuchungskommission von Hanspeter Uster (60) aufzeigt.

Denn das Fiasko ist viel grösser als befürchtet: Skandalzüchter Ulrich K.* (50) hielt auf seinem Betrieb über viele Jahre ein regelrechtes Tier-Guantánamo. Die Regeln des Rechtsstaates kamen höchstens sporadisch zur Anwendung.

Sage und schreibe sechs Ämter schafften es über ein Jahrzehnt lang nicht, dem Treiben auf dem Quälhof ein Ende zu setzen. Der Grund, weshalb die Thurgauer geltendes Recht nicht durchsetzten, ist so banal wie erschreckend: Sie hatten Schiss vor dem Tierquäler.

Regierungsrat forderte Liste gefährdeter Personen an

Die Angst vor Ulrich K. nahm derart absurde Züge an, dass der damalige Regierungsrat Kaspar Schläpfer (67) im Frühjahr 2016 von einer Fachstelle gar eine «Abschussliste» gefährdeter Behördenvertreter erfragte. Hintergrund war, dass K. geäussert habe, «man müsse diese Schlappschwänze umbringen». Und damit Schläpfer, Kantonstierarzt Paul Witzig (63) und der Chef des Rechtsdienstes gemeint gewesen seien.

Die Antwort der Fachstelle hält fest, dass Ulrich K. vor allem auf ein Total-Tierhalteverbot empfindlich reagieren würde. «Er hätte plötzlich keine Aufgaben mehr, und die Situation könnte Existenzängste hervorrufen», heisst es weiter. Die Gefahr eines Amoklaufs lasse sich nicht beurteilen.

Im Juli 2016, nachdem Walter Schönholzer (52) das Amt von Schläpfer übernommen hat, erstellt dessen Departement eine neue Analyse. Fazit: Ein hartes Durchgreifen sei mit grossem Aufwand, hohen Kosten und Sicherheitsrisiken verbunden.

Niemand wollte sich ihm in den Weg stellen

«Weil kein betroffenes Amt ins Schussfeld von Ulrich K. und in den öffentlichen Fokus geraten möchte, ist eine Koordination praktisch unmöglich», so die Analyse. 

Niemand greift entschlossen durch, obwohl Tierschutzmängel schon seit dem Jahr 2000 aktenkundig sind. Bitter: Schon 2007 hätten die Behörden erstmals die Möglichkeit gehabt, Ulrich K. seine Tiere wegzunehmen. Ein nächstes Mal zwei Jahre später, so der Untersuchungsbericht.

Das Tierleid bei K. geht nahtlos weiter. Ein 2014 eingeleitetes totales Tierhalteverbot scheitert an einem peinlichen Behördenfehler. Und ein rechtskräftiges Teiltierhalteverbot mit maximal 60 Pferden wird nicht umgesetzt.

«Deklariert sind 54 Pferde, anwesend 140», steht im Rapport einer angemeldeten Kontrolle vom 23. Mai 2017. Verstörend: Hygiene-Mängel wie verschimmeltes Brot werden darin als «geringfügiger Mangel» bezeichnet.

Am 29. Juni sendet eine Hufpflegerin Bilder vom Quälhof, die sie im Vorbeigehen geschossen habe, ans Veterinäramt. Ihre Aufforderung: «Schicken Sie baldmöglichst einen Kontrolleur vorbei, es ist dringend.»

Feilschen war wichtiger als Abklären

Doch statt abzuklären, feilscht das Schönholzer-Departement lieber um die Anzahl Tiere, die K. halten darf. Dessen Generalsekretär pocht auf eine zügige Antwort von K., da er bald für drei Wochen in den Ferien sei.

Dann geht am 24. Juli die Strafanzeige zweier Hof-Vertrauter mit Fotos toter Pferde ein. Eine der Frauen leitet das Bildmaterial via Tierschützer an BLICK weiter. Der Bericht erscheint am 2. August, fünf Tage später ist der Quälhof nach seiner Räumung Geschichte.

Gestern, 14 Monate später, hält ein Bericht das Totalversagen der Thurgauer Behörden fest. «Es tut uns leid», bedauert Regierungspräsidentin Cornelia Komposch (54). Und Walter Schönholzer gibt «Fehleinschätzungen» zu.

Strukturelle Anpassungen sollen es nun richten, personelle Konsequenzen brauche es anscheinend keine. Sogar Kantonstierarzt Witzig sitzt in seinem Job wohl bis zur Pensionierung fest im Sattel.

* Name bekannt

Kuschen vor einem Tierquäler

Der Untersuchungsbericht im Fall von Hefenhofen TG stellt den Thurgauer Behörden ein miserables Zeugnis aus. Behörden und Beamte hatten schlichtweg Angst. Sie kuschten vor einem Tierquäler, der zugleich auch berüchtigter Wutbürger war. 

Niemand hatte den Mumm, Verantwortung wahrzunehmen und gegen Ulrich K.* (50) durchzugreifen. Das ist eine Bankrotterklärung sondergleichen.

Die Devise hätte von Beginn an lauten müssen: Wir lassen uns von diesem Tierquäler nicht bedrohen. Erst recht nicht durch Waffengewalt! 

Erst die Schockbilder machten ihnen Beine

Den Stein ins Rollen brachten erst die Schockbilder, die BLICK im letzten Sommer veröffentlichte. Ohne den öffentlichen Druck wäre in diesem Tier- und Politskandal wohl noch immer alles beim Alten. 

Im Nachhinein wisse man es immer besser, geben die Thurgauer Amtsträger nun zu bedenken. Das ändert aber nichts an der schockierenden Tatsache, dass K. von Inkompetenz, Zögern und Feigheit der Beamten schamlos profitieren konnte.

Das lange Leiden und Sterben auf dem Skandalhof hätte verkürzt werden können, wenn die Behörden ihren Job gemacht hätten. Doch sie zeigen auch heute keine Einsicht. Umstrukturierungen allein sollen es richten, personelle Konsequenzen brauche es nicht. Alle seien ein bisschen schuld, aber niemand so richtig. 

Chance aufzuräumen hat man verpasst

Regierungsrat Walter Schönholzer (52) gibt zwar Fehleinschätzungen zu, beruft sich aber auf Unkenntnis des Falles, da er zum Zeitpunkt des Skandals erst 13 Monate im Amt gewesen sei. 

Und der ihm unterstellte Kantonstierarzt Paul Witzig (63) darf, mit mehr Personal und Juristen an seiner Seite, munter weiterwursteln. Dass er längst sämtliche Autorität verloren hat, spielt in diesen Überlegungen ganz offensichtlich keine Rolle.

Und so bürdet es die Politik dem Stimmvolk auf, in diesem Bereich für eine Bereinigung zu sorgen. Dies wird erst 2020 der Fall sein. Die Chance, aufzuräumen und Klarheit zu schaffen, hat man erneut verpasst.

BLICK-Reporter Marco Latzer.
BLICK

Der Untersuchungsbericht im Fall von Hefenhofen TG stellt den Thurgauer Behörden ein miserables Zeugnis aus. Behörden und Beamte hatten schlichtweg Angst. Sie kuschten vor einem Tierquäler, der zugleich auch berüchtigter Wutbürger war. 

Niemand hatte den Mumm, Verantwortung wahrzunehmen und gegen Ulrich K.* (50) durchzugreifen. Das ist eine Bankrotterklärung sondergleichen.

Die Devise hätte von Beginn an lauten müssen: Wir lassen uns von diesem Tierquäler nicht bedrohen. Erst recht nicht durch Waffengewalt! 

Erst die Schockbilder machten ihnen Beine

Den Stein ins Rollen brachten erst die Schockbilder, die BLICK im letzten Sommer veröffentlichte. Ohne den öffentlichen Druck wäre in diesem Tier- und Politskandal wohl noch immer alles beim Alten. 

Im Nachhinein wisse man es immer besser, geben die Thurgauer Amtsträger nun zu bedenken. Das ändert aber nichts an der schockierenden Tatsache, dass K. von Inkompetenz, Zögern und Feigheit der Beamten schamlos profitieren konnte.

Das lange Leiden und Sterben auf dem Skandalhof hätte verkürzt werden können, wenn die Behörden ihren Job gemacht hätten. Doch sie zeigen auch heute keine Einsicht. Umstrukturierungen allein sollen es richten, personelle Konsequenzen brauche es nicht. Alle seien ein bisschen schuld, aber niemand so richtig. 

Chance aufzuräumen hat man verpasst

Regierungsrat Walter Schönholzer (52) gibt zwar Fehleinschätzungen zu, beruft sich aber auf Unkenntnis des Falles, da er zum Zeitpunkt des Skandals erst 13 Monate im Amt gewesen sei. 

Und der ihm unterstellte Kantonstierarzt Paul Witzig (63) darf, mit mehr Personal und Juristen an seiner Seite, munter weiterwursteln. Dass er längst sämtliche Autorität verloren hat, spielt in diesen Überlegungen ganz offensichtlich keine Rolle.

Und so bürdet es die Politik dem Stimmvolk auf, in diesem Bereich für eine Bereinigung zu sorgen. Dies wird erst 2020 der Fall sein. Die Chance, aufzuräumen und Klarheit zu schaffen, hat man erneut verpasst.

«Es übernimmt niemand Verantwortung»
1:48
Kommentar zum Fall Hefenhofen:«Es übernimmt niemand Verantwortung»

 

Die Lehren aus dem Fall Hefenhofen

Für Tierfreunde änderte sich mit dem Fall Hefenhofen so ziemlich alles. Erstmals hielt ein Tierschutz-Skandal während Tagen die ganze Schweiz in Atem.

«Ohne den BLICK würde das Verfahren gegen diesen Bauern höchstwahrscheinlich noch immer vor sich hin dümpeln», vermutet Hans-Ulrich Huber (62), Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes (STS).

Veterinärämter stehen in der Pflicht

Nach den Ereignissen in Hefenhofen sei es für Bauern und Behörden schwieriger geworden, Verstösse gegen die Tierschutzgesetze zu vertuschen.

Von der Thurgauer Untersuchungskommission hält Huber wenig: «Die ist wohl in erster Linie als Massnahme zur Beruhigung des Volkes gedacht. Viel wichtiger ist, was derzeit in Bundesbern geschieht.»

Hoffen auf mehr unangemeldete Kontrollen

Konkret spielt er auf das Agrarpaket 18 an, das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet. Es will Bauern genauer auf die Finger schauen. «Vor zehn Jahren waren wir bei praktisch null Prozent unangemeldeten Kontrollen auf Bauernbetrieben. Ab 2019 werden es 40 Prozent sein. Das ist schlichtweg sensationell!»

Bloss: Viele der kantonalen Veterinärämter hielten die Vorgaben aus Bern in der Vergangenheit nicht ein. Der Quälhof soll dies ändern. «Die Zahlen werden sich bessern, Sie werden sehen», prognostiziert Huber.

Bauern sollen sich gegenseitig aus der Patsche helfen

Einen positiven Einfluss sieht auch Markus Ritter (51), Präsident des Schweizer Bauernverbandes. «Hefenhofen hat uns sensibilisiert, gerade bei Überforderung genauer hinzuschauen.» Hier wolle man verbandsintern Hilfestellungen anbieten, um betroffenen Landwirten aus der Patsche zu helfen.

Bei aussichtslosen Fällen fordert hingegen auch der höchste Landwirt des Landes ein entschlossenes Durchgreifen der Behörden. «Der Halter ist während 365 Tagen für seine Tiere verantwortlich. Wenn eine Person damit nicht klarkommt, ist es sinnvoller, wenn diese Person keine Tiere hält.» Dies gelte sowohl für Nutz- als auch für Haustiere.

Für Tierfreunde änderte sich mit dem Fall Hefenhofen so ziemlich alles. Erstmals hielt ein Tierschutz-Skandal während Tagen die ganze Schweiz in Atem.

«Ohne den BLICK würde das Verfahren gegen diesen Bauern höchstwahrscheinlich noch immer vor sich hin dümpeln», vermutet Hans-Ulrich Huber (62), Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes (STS).

Veterinärämter stehen in der Pflicht

Nach den Ereignissen in Hefenhofen sei es für Bauern und Behörden schwieriger geworden, Verstösse gegen die Tierschutzgesetze zu vertuschen.

Von der Thurgauer Untersuchungskommission hält Huber wenig: «Die ist wohl in erster Linie als Massnahme zur Beruhigung des Volkes gedacht. Viel wichtiger ist, was derzeit in Bundesbern geschieht.»

Hoffen auf mehr unangemeldete Kontrollen

Konkret spielt er auf das Agrarpaket 18 an, das sich derzeit in der Vernehmlassung befindet. Es will Bauern genauer auf die Finger schauen. «Vor zehn Jahren waren wir bei praktisch null Prozent unangemeldeten Kontrollen auf Bauernbetrieben. Ab 2019 werden es 40 Prozent sein. Das ist schlichtweg sensationell!»

Bloss: Viele der kantonalen Veterinärämter hielten die Vorgaben aus Bern in der Vergangenheit nicht ein. Der Quälhof soll dies ändern. «Die Zahlen werden sich bessern, Sie werden sehen», prognostiziert Huber.

Bauern sollen sich gegenseitig aus der Patsche helfen

Einen positiven Einfluss sieht auch Markus Ritter (51), Präsident des Schweizer Bauernverbandes. «Hefenhofen hat uns sensibilisiert, gerade bei Überforderung genauer hinzuschauen.» Hier wolle man verbandsintern Hilfestellungen anbieten, um betroffenen Landwirten aus der Patsche zu helfen.

Bei aussichtslosen Fällen fordert hingegen auch der höchste Landwirt des Landes ein entschlossenes Durchgreifen der Behörden. «Der Halter ist während 365 Tagen für seine Tiere verantwortlich. Wenn eine Person damit nicht klarkommt, ist es sinnvoller, wenn diese Person keine Tiere hält.» Dies gelte sowohl für Nutz- als auch für Haustiere.

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