Verfolgungjagd durchs Rheintal
Wieso stoppte die Polizei den Corsa erst nach 50 km?

Erst nach 50 Kilometern stoppte die St. Galler Polizei gestern einen Amokfahrer. Polizeisprecher Hanspeter Krüsi erklärt, wieso die Einsatzkräfte den Mann nicht schon früher aus dem Verkehr gezogen haben.
Publiziert: 17.12.2015 um 18:51 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:56 Uhr
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Endstation: In Diepoldsau endete die Flucht des 22-jährigen Kosovaren. Nach 50 Kilometern.
Foto: Kapo SG

Szenen wie in einem Film spielten sich gestern Vormittag im Kanton St. Gallen ab.

Ein junger Kosovare (22) flüchtete am oberen Graben in der Stadt St. Gallen vor einer Polizeikotrolle. Mit überhöhter Geschwindigkeit bretterte er auf die Autobahn in Richtung Rheintal, überholte links und rechts andere Autos und durchbrach auf seiner irren Amokfahrt mehrere Polizei-Sperren.

Erst nach 50 Kilometern, auf einer Brücke bei Diepoldsau SG, konnte der Mann in seinem Opel Corsa mit kaum 100 PS schliesslich gestoppt werden. Rund 30 Einsatzkräfte von Polizei und Grenzwache mit hochmotorisierten Fahrzeugen waren dafür insgesamt nötig (BLICK berichtete).

Im Internet hagelt es deswegen hämische Kommentare: Es sei «traurig», dass die Polizei so schwach sei und den Kleinwagen erst nach 50 Kilometern aus dem Verkehr ziehen konnte, schreibt ein User auf Facebook. Ein anderer ärgert sich darüber, dass die Polizei den «Idioten» nicht einfach «von der Strasse geschupst» hat – «wie die Amis es tun würden.»

Hanspeter Krüsi, Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen, kann über solche Aussagen nur den Kopf schütteln. «Den Wagen einfach abzuschiessen, wäre komplett unverhältnissmässig gewesen», sagt er.

Die Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer, der Polizisten, aber auch des Flüchtenden stehe an oberster Stelle. «Schliesslich wissen die Einsatzkräfte nicht, ob möglicherweise ein Jugendlicher auf Strolchenfahrt oder eine geistig verwirrte Person am Steuer sitzt», sagt Krüsi.

Der Polizeisprecher betont, dass es sich eben nicht um eine «Verfolgungsjagd», sondern um eine sogenannte «Nachfahrt» gehandelt hat.

«Dabei bestimmt der Flüchtende das Tempo, die Polizei folgt in gleichbleibenden Abstand und versucht die Situation so gut es geht zu beruhigen», sagt Krüsi. Derweil würden immer mehr Einsatzkräfte hinzugezogen, die mögliche Fluchtrouten nach und nach absperren. 

Endstation: In Diepoldsau endete die Flucht des 22-jährigen Kosovaren. Nach 50 Kilometern.
Foto: Kapo SG

Das gelang ihnen im aktuellen Fall auch. Vor Diepoldsau überfuhr den Kosovare einen von der Polizei ausgelegegten Nagelgurt. Er konnte aber noch mehrere Kilometer weiterfahren, bis sich ein Reifen seines Corsas abschälte und er bei einer weiteren Sperre mit zwei unbeteiligten Fahrzeugen und einem Polizeiauto kollidierte und festgenommen werden konnte.

Krüsi wertet den Einsatz als vollen Erfolg: «Verletzt wurde niemand, der Sachschaden ist relativ gering», sagt er.

Der 22- Jährige Amokfahrer sitzt nach wie vor in Untersuchungshaft. Er war der Polizei wegen Vermögensdelikten bekannt, besass keinen Führersausweis und die Nummernschilder des Corsas waren geklaut. Woher er den Wagen hatte, wird derzeit noch abgeklärt. (bau)

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