Die Thurgauerin Merve Balta (23) wurde Opfer eines Raubüberfalles. Vor zwei Jahren wurde sie beim Joggen brutal niedergeschlagen und beraubt (BLICK berichtete). Bis heute leidet sie deswegen an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ist arbeitsunfähig.
Trotzdem will ihre Unfallversicherung, die Helsana Unfall AG, nicht finanziell dafür aufkommen. Die Begründung: Balta habe schon vor dem Raubüberfall psychische Probleme gehabt. Ihre posttraumatische Belastungsstörung sei deshalb keine Unfallfolge, sondern eine Krankheit. Die 23-Jährige dementiert: «Während meiner Pubertät litt ich zwar unter psychischen Problemen. Angstzustände, Flashbacks und Panikattacken habe ich aber erst seit dem Raubüberfall!»
Wie zahlreiche Reaktionen der BLICK-Leser nach der Geschichte zeigen, ist dies kein Einzelfall. Oftmals werden die Unfall-Opfer von ihren Versicherungen für lange Zeit im Ungewissen gelassen. Der Krankenkassen-Experte Felix Schneuwly vom Vergleichsportal comparis.ch schafft deshalb Klarheit.
Definition einer Krankheit
Langsames Ereignis
Schädigungen des Körpers sind absehbar
Ermüdungserscheinungen von Gelenken und Muskeln
Saisonale Krankheiten wie Grippe und Erkältungen
«Eine Krankheit entsteht schleichend. Zum Beispiel kann häufige Computerarbeit zu einer Handgelenkentzündung führen. Bei Bauarbeiter hingegen können zunehmen Rückenschmerzen auftreten. Falls man nach einem Openair-Besuch laute Pfeifgeräusche hört, ist ebenfalls die Krankenkasse dafür zuständig», sagt Schneuwly.
Definition eines Unfalls
Plötzliches Ereignis
Schädigungen des Körpers sind nicht beabsichtigt (Fälle von Selbstverstümmelung gelten beispielsweise nicht als Unfall)
Ereignis hat eine Beeinträchtigung der Gesundheit zur Folge (körperlich, geistig oder psychisch)
«Die Unfallversicherung ist unter anderem zuständig für Fälle wie Knochenbrüche, Verrenkungen von Gelenken, Muskelrisse, oder Trommelfellverletzungen – sofern diese nicht auf Abnützung oder Erkrankungen zurückzuführen sind. Auch ein Zeckenbiss gilt als Unfall», so Schneuwly.
Zusammenfassend sagt er: «Bei einem Unfall müssen zwingend alle drei Aspekte zutreffen.» Ansonsten gelte das Ereignis als Krankheit.
Knie- und Schulterunfälle sind heikel
Trotzdem gebe es Fälle, die immer wieder für Unstimmigkeiten sorgen, sagt Barbara Callisaya, Leiterin der Patientenstelle Zentralschweiz. Vor allem schwierig seien Knie- und Schulterverletzungen im Alter. «Wenn eine 30-jährige Person durch einen Unfall das Knie oder die Schulter verletzt, ist dies versicherungstechnisch meist kein Problem.»
Sei die verunfallte Person jedoch zwanzig oder dreissig Jahre älter, komme es oft zu Problemen mit der Unfallversicherung. «In solchen Fällen bringt der Unfallversicherer meistens das Argument, dass die Gelenke bereits durch degenerative Veränderungen wie zum Beispiel Arthrose vorbelastet waren – und der Verlauf des Unfalles dadurch beeinflusst und somit verschlimmert, verschlechtert oder verlängert wurde», so Callisaya.
Leider würden die Unfallversicherungen mit diesem Argument meistens sogar Recht bekommen und die weiteren Kosten gehen zulasten der Krankenkassen.