Nico (8) hält traurig seinen Ball. «Ich darf hier mit meinen Freunden nicht mehr Fussball spielen», sagt der kleine Bayern-Fan enttäuscht. Seit Montag stehen gleich drei Verbotsschilder im Quartier Obstgarten in Wittenbach SG, die das Kicken untersagen. Sein Vater Morel de la Rosa ist empört: «Das sind doch Spielverderber! Die Kinder spielen doch nur. Natürlich machen sie dabei auch Lärm, das ist halt so.» Auch Anwohner Thomas Rudolf (32), selber Vater eines kleinen Buben, ärgert sich: «Da waren echte Bünzlis am Werk. Wir Mieter wurden vor vollendete Tatsachen gestellt, plötzlich waren die Tafeln einfach da!»
Alles erlaubt – ausser Fussball
Erstaunlich: In der Grossüberbauung gibt es mehrere Wiesen und drei Spielplätze. Neben Rutschen und Klettergerüsten gibts auch einen Pingpong-Tisch und einen Kiesplatz samt Basketballkorb. Aber nur Fussball, die beliebteste Sportart der Kinder, wurde verboten. Anneliese Adolph (85) bringt das auf die Palme: «Wer sich von den Kindern gestört fühlt, soll doch in den Wald ziehen!» Dann schreitet die Rentnerin zur Tat und zieht über eines der Schilder einen Abfallsack. «Damit die Leute sehen, was das für ein Müll ist», sagt Adolph.
Das Verbot kam von einer Minderheit
Die Urgrossmutter bleibt nicht unbeobachtet. Gegenüber wohnen diejenigen, die in ihren Augen die Bösewichte sind. Es sind die Besitzer der Eigentumswohnungen. «Was soll dieser Seich?!», schallt es von einem Balkon herab. Ein wüstes Wortgefecht entsteht. «Ihr habt uns das eingebrockt, wir sind für euch nur Menschen zweiter Klasse!», brüllt Adolph nach oben. Erst als sich die Gemüter ein wenig beruhigt haben, kann BLICK mit den Fussballgegnern sprechen.
Eine ist Margrith Schmid (66). «Es ging einfach nicht anders. Hier war immer Radau bis abends um zehn!», sagt sie. Gegen Kinder im Allgemeinen hätten sie und Lebenspartner Werner Graf (74) überhaupt nichts. Spielen in normalem Rahmen störe niemanden. Doch beim Tschutten war das anders. «Wir können unseren Balkon schon seit Jahren nicht mehr benutzen, man versteht kein Wort», schildert Graf.
Zeitweise stünden 30 Kids auf der Wiese – die meisten kämen nicht einmal aus der Nachbarschaft. Ihnen fehle es an Respekt und Anstand. Schmid: «Als ich reklamierte, wurde ich als alte Kuh beschimpft!» So wie sie sehen die meisten der Eigentumswohnungsbesitzer die Sache. Zusammen mit den Besitzern der anderen Blocks haben sie deshalb das Verbot erlassen – über die Köpfe der zahlreichen Mieter hinweg. Und ohne Kommunikation.
Weiterer Ärger ist vorprogrammiert. Thomas Fischer ist einer der Verwalter der Grossüberbauung. Er droht: «Wir setzen das durch. Im schlimmsten Fall sind auch Bussen denkbar!»