Trauer im Kloster St. Otmarsberg in Uznach
Benediktiner im Spital erschossen

Bruder Clemens starb keines natürlichen Todes. Er ist erschossen worden: von seinem Nachbarn in Zimmer 405 des Uznacher Spitals Linth.
Publiziert: 19.05.2011 um 08:28 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:50 Uhr
Von Ralph Donghi und Antonia Sell

Von Uznach SG unweit des Zürichsees geht der Blick einen grünen Hang hinauf zu St. Otmarsberg: Die überraschend moderne Abteikirche, ein Bau aus den 80er-Jahren, wacht über das Städtchen im St. Gallischen. 24 Missionsbenediktiner leben im zugehörigen Kloster. Kaum ein Ton ist zu hören, sogar die Vögel schweigen.

Die Klosterbrüder sind noch immer erschüttert von der Nachricht, die sie am Montag erreichte. In stiller Trauer beten sie in ihrer Kapelle für Bruder Clemens, der so abrupt aus ihrer Mitte gerissen worden ist. Josef Baggenstos, wie der Bauernsohn aus Aristau bei Muri AG mit bürgerlichem Namen hiess, war 87 Jahre alt und krank, sehr krank.

Doch er starb keines natürlichen Todes. Bruder Clemens ist erschossen worden: von seinem Nachbarn in Zimmer 405 des Uznacher Spitals Linth. Er starb im Rega-Hubschrauber – BLICK berichtete.

«Wir hatten ihn auf Anraten seines Arztes zu Abklärungen ins Spital gebracht», sagt Prior Adelrich (67): «Er war bereits seit langer Zeit schwer krank. Und nach einer Lungenentzündung an Ostern», so der Leiter der Abtei, «hatte sich sein Zustand stetig verschlechtert. Trotzdem hofften wir, dass wir ihn ins Kloster zurückholen könnten. Damit er hier sterben könne, wo er zu Hause war.»

Bruder Clemens wird am Montag im Garten der Abtei bestattet. Beim Abschied werden seine Mitbrüder sich vielleicht schmunzelnd erinnern, wie er sie stets mit feiner Ironie erheitert hat – manchmal auch mit trockenem Witz. Prior Adelrich: «Er hatte einen stillen Humor, immer ein verschmitztes Lächeln im Gesicht.»

Mehr als 60 Jahre lang war Clemens Mitglied der kleinen Klostergemeinschaft. Er trat schon mit 24 Jahren ins Kloster ein, weil ihm der Gedanke des gemeinschaftlichen Lebens so wichtig war. In der Abtei entdeckte der Benediktiner seine Passion für Pflanzen. Und weil die Ordensregel lautet: «Ora et labora – bete und arbeite», verwandelte er seine Leidenschaft zum Beruf: Nach gründlicher Ausbildung wurde er zum Klostergärtner ernannt. «Seine grosse Liebe galt den Orchideen – und auch der ‹Königin der Nacht›», erinnert sich Prior Adelrich.

«Sie blüht nur eine einzige Nacht. Sie ist wunderschön. Und sie duftet betörend. Darauf war er besonders stolz.»

Wenn er seine Pflanzen genügend verwöhnt hatte, hörte Clemens Musik – am liebsten Klassik und Choräle –, schrieb Briefe an seine Verwandten, Freunde und Bekannten. «Wir sind ihm dankbar, dass er mehr als 60 Jahre seinen Alltag für die Kirche und die Mission gelebt hat», sagt der Prior.

Dem Todesschützen, der mittlerweile in die Psychiatrie überwiesen wurde, haben die Benediktiner vergeben. Adelrich: «Wir beten auch für ihn.» Der 80-Jährige hatte mit einer kleinkalibrigen Pistole hantiert, als sich ein Schuss löste und seinen Zimmernachbarn in die Brust traf. Im Spital geht man davon aus, dass er Selbstmordgedanken hegte.

Der Prior zitiert leise den liebsten Spruch seines verstorbenen Mitbruders: «An der Barmherzigkeit Gottes soll man nie zweifeln.»

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