Wegen Satanisten-Behandlung
Kanton ergreift Massnahmen gegen Klinik Littenheid

Im Dezember sorgte die Klinik Littenheid im Thurgau für Aufsehen. Ein Oberarzt war davon überzeugt, dass in der Schweiz rituelle Morde im Namen des Teufels praktiziert werden. Erst reagierte das Spital und jetzt der Kanton.
Publiziert: 02.12.2022 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2022 um 11:49 Uhr
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Im Visier der Behörden: die Klinik Littenheid im Kanton Thurgau.
Foto: zvg

Satanische Rituale in der Schweiz, bei denen Babys getötet werden? Das klingt nach haarsträubendem Unsinn. Und ist es auch. Trotzdem glauben einige daran. Darunter auch Matthias Kollmann, ein Oberarzt der Traumastation der Klinik Littenheid im Kanton Thurgau, wie eine SRF-Dokumentation im Dezember 2021 zeigte. Kurz darauf wurde der Mediziner freigestellt.

Nun reagiert der Kanton und ergreift aufsichtsrechtliche Massnahmen. Im Frühjahr 2022 hatte das Departement für Finanzen und Soziales des Kantons Thurgau eine Administrativuntersuchung gegen die Privatklinik eingeleitet. Der externe Bericht liegt nun vor.

Die Experten kommen zum Schluss, dass die Verschwörungserzählung «rituelle Gewalt/Mind Control» in den Traumatherapie-Stationen der Klinik im untersuchten Zeitraum ein Thema war. Andere Abteilungen sind nicht betroffen. Das Departement hat die erforderlichen Massnahmen eingeleitet.

Beachtlicher Teil der Belegschaft betroffen

Der Bericht zeigt auf, dass vor allem einer der Ärzte ein besonderes Interesse am Thema rituelle Gewalt bis hin zu einer Faszination für satanistische rituelle Gewalt und Mind Control entwickelt und die Kultur der beiden Traumastationen beeinflusst hat. Er hat beispielsweise Weiterbildungen zu dem Thema organisiert, über die auch seine vorgesetzte Stelle informiert war.

An einer diesen Weiterbildungen hat ein beachtlicher Teil der Belegschaft der Traumatherapie-Stationen teilgenommen und sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Verschwörungserzählung «rituelle Gewalt/Mind Control» floss daher nicht nur in die Therapie eines einzelnen Arztes, sondern in weite Teile der Behandlungen in den Traumastationen ein.

Meldestelle wird eingerichtet

Zum Ausmass des Glaubens an die Verschwörungstheorie liegen gemäss Untersuchungsbericht unterschiedliche Aussagen vor. Die externen Verfasserinnen und Verfasser des Untersuchungsberichts kommen zum Schluss, dass rituelle Gewalt bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten im untersuchten Zeitraum nicht nur ein Thema war, sondern die Klinik nach Bekanntwerden der Vorwürfe bei deren Aufarbeitung nicht sorgfältig vorging.

Das Departement für Finanzen und Soziales hat aufgrund des Inhalts des Berichts gegen die Klinik aufsichtsrechtliche Massnahmen eingeleitet, die sich an den Empfehlungen des Berichts orientieren. Dazu zählen unter anderem die Einrichtung einer unabhängigen Meldestelle.

Zudem werden die Berufsausübungsbewilligung eines Arztes entzogen, ein disziplinarischer Verweis und diverse Busse ausgesprochen. Ausserdem wurden verschiedene Strafanzeigen eingereicht. Sämtliche aufsichtsrechtlichen Massnahmen sind noch nicht rechtskräftig. (jmh)

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