Sven R.* (35) vor Gericht
Mutmasslicher Feuerteufel von Sargans steckt im Schulden-Sumpf

Schreiner Sven R.* (35) wird beschuldigt, 2016 in Sargans sieben Brände gelegt und versucht zu haben, seine Versicherung zu betrügen. Vor Gericht in Mels SG hat er seine Unschuld beteuert. Das Urteil wird kommende Woche eröffnet.
Publiziert: 16.11.2017 um 15:22 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:33 Uhr
Die Schreinerei von Sven R. brannte als erstes Gebäude – und kurz darauf ein zweites Mal.
Foto: KAPO SG

In seiner Befragung vermittelte Sven R.* vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland den Eindruck eines chaotischen Traumtänzers, der auf seinem Schlingerkurs durchs Leben nichts wirklich auf die Reihe kriegt. Die Gerichtspräsidentin erhielt kaum präzise Antworten. Häufig machte der Deutsche geltend, er wisse dies oder das nicht oder könne sich nicht erinnern.

Der gelernte Schreiner hatte sich nach jahrelangen Temporärjobs mit einer kleinen Werkstatt selbstständig gemacht. Die Aufträge sprudelten aber nicht und von Geschäftsführung verstand er nichts.

Ein Leben auf Pump

Der Mann war denn auch ständig pleite. Dennoch ging er häufig aus und liess sich regelmässig per Taxi chauffieren. Zudem schaffte er immer wieder Geräte für die Schreinerei an - alles auf Pump.

Mittlerweile steht er vor einem Schuldenberg, genaue Zahlen konnte er nicht nennen. Für den Unterhalt von Frau und Tochter in der Schweiz sowie für zwei weitere Kinder in Deutschland kann er nicht aufkommen. Den privaten Anwalt zahlt er mittels Darlehen eines Bekannten. Es sei tatsächlich «eine Menge Geld, das ich schulde», räumte er vor Gericht ein.

Und dazu soll nun noch mehr kommen: Der Staatsanwalt fordert, dem Beschuldigten die Staatsanwaltskosten in Höhe von mehr als 50'000 Franken aufzuerlegen. Und die Gebäudeversicherung macht 130'000 Franken geltend.

Sven R. will selber Genugtuung

Demgegenüber steht die Forderung des Verteidigers nach einer Genugtuung von 71'000 Franken für seinen Mandanten, der seit bald einem Jahr «ungesetzlich» in Haft sitze. Er hat bereits den vorzeitigen Strafvollzug angetreten.

Der Anwalt plädierte auf vollumfänglichen Freispruch mangels Beweisen. Es gebe nur Indizien, aber diese belegten die Täterschaft seines Mandanten nicht zweifelsfrei. Es gelte das Prinzip «Im Zweifel für den Angeklagten».

Es sei seine Aufgabe, Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten zu säen, sagte der Verteidiger fast entschuldigend. In allen Fällen sei nicht auszuschliessen, dass jemand anders die Brände gelegt haben könnte.

Gericht hat nur Indizien

Der Beschuldigte weist jegliche Schuld von sich. Das Gericht kann sich nur auf Indizien stützen. Auffällig ist, dass der Mann sich stets in zeitlicher und räumlicher Nähe befunden hatte, wenn wieder ein Feuer ausbrach.

In einem Fall führte ein Spürhund der Polizei die Ermittler auf direktem Weg vom Brandplatz zum Haus des Beschuldigten. Unmittelbar nach dem letzten Brand wurde er festgenommen - die Polizei hatte ihn überwacht.

In der Absicht, ohne Arbeit rasch an Geld zu kommen, sieht der Ankläger das «niederträchtige Motiv» des Beschuldigten. Nach den beiden ersten Bränden in der Werkstatt legte er seiner Versicherung eine Schadensmeldung über rund 167'000 Franken vor - laut Anklage ein versuchter Betrug. Erhalten hat er bisher nichts.

Gabs «Ablenkungsbrände»?

Die übrigen fünf Feuer - drei auf dem Gelände, wo unter anderem der Schreiner seine Werkstatt hatte sowie in einem Unterstand und einem Schuppen - seien klare «Ablenkungsbrände» gewesen, sagte der Staatsanwalt.

Er fordert zehn Jahre Freiheitsentzug sowie eine anschliessende Landesverweisung von zehn Jahren wegen mehrfacher Brandstiftung und versuchten Betrugs. Der Beschuldigte habe mit direktem Vorsatz gehandelt und eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt. Strafmindernd wirke sein «nicht einfacher Start ins Leben», wo er in einer zerrütteten Familie und in Heimen aufwuchs.

Das beantragte Strafmass bezeichnete der Verteidiger als «exorbitant». Falls das Gericht zu einem Schuldspruch gelänge, so wären maximal fünf Jahre angemessen. Auch eine Landesverweisung von zehn Jahren sei für den Mann, der hier verheiratet ist, zu viel. Falls eine Landesverweisung unumgänglich wäre, sollte sie nicht mehr als fünf Jahre dauern. (SDA/ads)

* Name der Redaktion bekannt

So wird einer zum Brandstifter

Psychiater Reinhard Felix (53) aus Sursee LU erläutert für BLICK die Psyche eines Zündlers.

Das Wichtigste bei solchen Taten ist laut dem Psychologen die Unterscheidung zwischen ­einem Pyromanen und einem Brandstifter. «Ein Pyromane», sagt Reinhard Felix, «hat beim Fackeln beinahe erotische Gefühle». Ein Brandstifter benötige einen Vorsatz.

Der verdächtigte Schreiner hatte finanzielle Probleme. Ein Versicherungsbetrug liegt nahe. Felix sagt: «Brandstifter können durchaus von sich ablenken und sich als Opfer darstellen.»

Trittbrettfahrer

Das hat Sven R. mit einem Eintrag auf Facebook gemacht. Bleibt die Frage nach den weiteren Bränden. «Es gibt die Möglichkeit eines Trittbrettfahrers», sagt Felix. «Für einen ­Pyromanen wäre diese Ausgangslage verführerisch, weitere Brände zu legen.»

Doch egal ob Pyromane oder Brandstifter – Auslöser für ­solche Taten gibt es viele. Das können beispielsweise Finanz- oder Eheprobleme sein. Felix: «Wenn man einen Grund braucht, findet oder erfindet man einen.»

Der Frau von Sven R. könne ­jedenfalls kein Vorwurf gemacht werden. «Am Schluss ist immer die Person mit dem Feuerzeug schuld.» | Sven Forster

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Psychologe Reinhard Felix
Psychologe Reinhard Felix
ZVG

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