Es ist ein Amateurspiel mit ungeahnten Folgen: Gestern vor genau drei Jahren stehen sich in der 4. Liga der FC Henau 2 und der FC Wil 1900 (Breitensport) gegenüber. Heute muss sich das Kantonsgericht St. Gallen bereits in zweiter Instanz mit den Ereignissen in der 68. Minute befassen (BLICK berichtete)!
Während eines Konters des FC Henau sprinten Stürmer Christian L.* (29) und Goalie Lukas M.* (21) dem Ball entgegen. Es kommt zu einer heftigen Kollision. Während L. noch aufzuspringen versucht, donnert der Wiler Torhüter mit gestrecktem Bein und den Stollen voraus in den Angreifer hinein. Die Folgen für den getroffenen L. sind schlimm.
«Es war fahrlässig, so gegen mich einzusteigen»
Die Diagnose: Spalt- und Impressionsfraktur am lateralen Tibiakopf – ein Bruch des Schienbeinkopfs. «Dieses Foul veränderte mein Leben», sagt Christian L. zu BLICK. Nach dem Zusammenstoss liegt er zehn Tage im Spital, ist während dreier Monate arbeitsunfähig.
Das Mitleid vieler Hobbysportler schlägt aber schnell in Wut um, als Christian L. bei der Polizei Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Goalie M. einreicht. Der Schiedsrichter hatte den wüsten Zusammenstoss nur mit einer Gelben Karte geahndet. «Der Schiri hat das selbst nicht so richtig gesehen, sonst hätte er anders gehandelt», ist L. überzeugt.
Dass ihn der Torhüter mutwillig verletzt hat, glaubt nicht einmal der Gefoulte selbst. «Ich unterstelle ihm keine Absicht. Aber es war fahrlässig, so gegen mich einzusteigen.» Als Motiv für seine Strafanzeige benennt der heutige Juniorentrainer die Auswirkungen der Verletzung auf sein Leben.
Eine fehlende Entschuldigung als Antreiber?
«Es geht mir um meine Gesundheit und die Zukunft. Ich möchte sämtliche Kosten und Langzeitschäden abgedeckt haben», sagt Christian L. Seine Versicherung würde nämlich nicht für den ganzen Schaden aufkommen. Ein juristisches Foul am Breitensport sieht er in seinem Vorgehen nicht. «Das, was ich mache, ist mein gutes Recht. Ein Fussballplatz ist kein rechtsfreier Raum!»
Auch Emotionen dürften bei der Klage eine wichtige Rolle gespielt haben: Goalie Lukas M. soll sich für das Unglück nämlich nicht entschuldigt haben. «Es kam nur eine Whatsapp-Nachricht. Ich finde das schäbig!», sagt Christian L.
In erster Instanz hat sich das Kreisgericht Wil im Herbst 2017 bereits auf die Seite des Stürmers geschlagen und ihm 6000 Franken Schadenersatz zugesprochen. Lukas M. wurde zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Heute steht vor Kantonsgericht sozusagen das Rückspiel an.
Anwalt von Lukas M. befürchtet negative Signalwirkung
Lucien Valloni, der Anwalt von Lukas M., ist zugleich Präsident der Spielervereinigung (SAFP). Er sagt zu BLICK: «Ich hoffe auf den gesunden Menschenverstand des Gerichts und fordere einen Freispruch.» Es dürfe nicht sein, dass ein junger Mann wegen der Ausübung eines Sports kriminalisiert werde.
Sollte es beim Schuldspruch bleiben, befürchtet Valloni eine fatale Signalwirkung für den Breitensport: «Wenn da in Zukunft jeder einfach klagt, wird es unzählige Verfahren geben.» Christian L. nimmt es gelassen: «Ich wünschte auch, es wäre anders gekommen.»
* Name bekannt