Der Notruf ging gegen 2.45 Uhr ein: Feuer im Zentrum von Steckborn TG! Schnell breiteten sich die Flammen aus, griffen von einem auf das nächste Haus über. Insgesamt brannten sechs Gebäude in der Altstadt.
Die Kantonspolizei Thurgau klingelte Stadtpräsident Roger Forrer (50) in der Nacht aus dem Bett. «Ich schaute aus dem Fenster und sah im Nebel die Flammen. Da lief es mir kalt den Rücken hinunter», so der 50-Jährige zu BLICK. «Ich bin seit drei Uhr hier. Das Ganze ist unglaublich tragisch. So viele Obdachlose – jetzt kurz vor Weihnachten.»
«Wir konnten nichts mitnehmen»
Betroffen ist auch die Familie Djelili. Die Eltern sowie die beiden Söhne mit ihren Familien bewohnten drei Wohnungen eines Hauses an der Seestrasse, das nun komplett zerstört ist.
«Gegen 2.30 Uhr haben uns die Nachbarn rausgeläutet und geschrien. Ich ging dann auf den Balkon und sah, dass es beim Nachbarn brennt», sagt Ertan Djelili zu BLICK.
Erst dachte der dreifache Familienvater noch, dass die Situation unter Kontrolle sei. Aber da die Häuser so eng aneinanderliegen, griff das Feuer auch auf das Haus der Djelilis über. «Da sind wir auch raus. Wir konnten nichts mitnehmen, nur das, was wir auf uns trugen.»
Mit seiner Frau und seinen drei Töchtern (zwei 8 und eine 10) bringt er sich in Sicherheit. Retten können sich auch sein Bruder mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen (10 und 16) sowie seine Eltern.
«Ich bin in diesem Haus aufgewachsen. Jetzt haben wir alles verloren und müssen wieder von Null anfangen – nach 22 Jahren.»
Stadtverwaltung richtet Spendenkonto ein
In der Nacht habe die Gemeinde 150 Leute aus ihren Wohnungen geholt. «Die rannten in den Pyjamas auf die Strasse. Wer Zeit hatte, schnappte sich noch eine Jacke. Für viel Hab und Gut blieb keine Zeit», sagt Stadtpräsident Forrer.
Zwischen 20 und 30 Personen hätten vergangene Nacht alles verloren. «Die anderen wurden vorsorglich evakuiert. Sie können in ihre Wohnungen zurück», so Forrer. «Für die Obdachlosen suchen wir jetzt nach Lösungen. Die Leute zeigen sich sehr solidarisch. Uns wurden schon mehrere Wohnungen zur Verfügung gestellt.» Mittlerweile konnte für alle Betroffenen eine Bleibe gefunden werden.
Wie Stadtschreiber Hans Wipf mitteilt, wurde für die Opfer des Brandes ein Spendenkonto eingerichtet (Postkonto-Nummer 89-957198-6, lautend auf Gemeinde Steckborn, Spenden Brand Altstadt, 8266 Steckborn (IBAN CH6209000000899571986)). «Wer den vom Brand Betroffenen Unterkünfte oder Möbel zur Verfügung stellen kann, meldet sich bitte – am besten mit Fotos der Gegenstände – per Mail an stadtverwaltung@steckborn.ch», heisst es in der Mitteilung. Kleider und Gebrauchsgegenstände können in der Wirtschaft zum alten Schloss abgegeben werden.
«Ein Hitzeschwall, wie ich ihn noch nie erlebt habe»
Corinna Klaus hatte Glück im Unglück. Die 23-Jährige lebt in einem Haus ganz in der Nähe des Brandherds. «Mein Freund hat mich in der Nacht geweckt, weils draussen so komisch hell und orange war.» Sie habe dann aus dem Fenster geschaut und ausser dem Licht nichts Auffälliges gesehen. «Doch als ich die Haustüre öffnete, kam mir ein Hitzeschwall entgegen, wie ich das noch nie erlebt habe.» Dann sei auch schon ein Polizist gekommen und habe sie aufgefordert, das Haus zu verlassen. «Wir waren dann ein paar Stunden in einem Restaurant untergebracht. Gegen 5 Uhr bin ich dann zu meiner Mutter nach Hause.»
Inzwischen konnte sie zurück in die Wohnung: «Es stinkt noch sehr nach Rauch. Aber immerhin ist nichts verbrannt.»
Der Rettungsdienst musste bislang drei Personen mit leichten Verletzungen ins Spital bringen. «Wenns so bleibt, hatten wir Glück im Unglück», sagt der Stadtpräsident. «Aber wir können momentan leider nicht ausschliessen, dass noch irgendwo jemand in einem Haus ist.»
Nach dem bisherigen Stand gibt es keine weiteren Verletzten oder gar Tote. Es würden keine Personen vermisst, stellte Polizeisprecher Daniel Metzler fest.
Nach 8.30 Uhr war das Feuer unter Kontrolle. Die Feuerwehr bleibt aber weiter vor Ort und überwacht die Brandnester. Die Nachlöscharbeiten dürften gemäss ersten Einschätzungen noch bis zwei Tage andauern. Die Seestrasse bleibt vorerst gesperrt. (mad/sas/lex/kab)