Staatsanwaltschaft ist sicher
IV-Abzocker-Paar ergaunert 688'000 Fr

Die Staatsanwaltschaft will eine mutmassliche IV-Betrügerin im St. Galler Rheintal für 4,5 Jahre im Gefängnis sehen. Der krasse Vorwurf: Die Kosovarin soll unter anderem missbräuchlich 688'000 Franken an IV- und Ergänzungsleistungen bezogen haben.
Publiziert: 21.08.2019 um 21:58 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2019 um 12:46 Uhr
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Miradije F. (49) soll zu Unrecht 688'000 Franken an IV-Geldern und Ergänzungsleistungen bezogen haben. In derselben Zeit soll sie eine Versicherungsfirma, die auf ihren Mann Ahmet F. (49) lief, geführt haben.
Foto: Zvg
Marco Latzer

In der kommenden Woche muss sich Miradije F.* (49) vor dem Kreisgericht Rheintal verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der Kosovarin vor, sich ab Ende Februar 2003 als Simulantin den Zugang zu IV-Leistungen erschlichen zu haben.

Da auch Ehegatten- und Kinderrenten im Spiel sind, sollen insgesamt 688'000 Franken an Versicherungsleistungen ausbezahlt worden sein – zu Unrecht!

Psychisch krank und anscheinend doch sehr aktiv

Laut Anklage schmiss die angeblich invalide Frau zudem eine kleine Versicherungsfirma, die eigentlich über ihren mitangeklagten Ehemann Ahmet F.* (49) lief.

Die Abzocke läuft wie geschmiert. Über Jahre. Erst als 2014 bei der Sozialversicherungsanstalt ein anonymer Hinweis eingeht, gerät das Paar ins Visier. Die Verdachtsmeldung: Miradije F. fährt Auto, trägt schwere Sachen und ist als Versicherungsmaklerin tätig.

Observationen der Behörden bestätigen danach den Eindruck einer eigentlich gesunden Frau. Dem steht gegenüber, dass F. nach einem Autounfall im September 2001 und daraus folgenden psychischen Leiden als zu 100 Prozent arbeitsunfähig gilt.

Paar wehrt sich gegen Schmarotzervorwürfe

BLICK trifft Miradije und Ahmet F. in ihrem hübschen Zweifamilienhaus mit grosszügigem Garten. Während des Gesprächs zieht sich die Frau immer wieder für Liegepausen zurück. «Diese Vorwürfe sind sehr verletzend. Ich bin sicher keine Simulantin», erklärt sie.

Ein einziges Mal habe sie vielleicht den Rasen gemäht und ab und zu Anrufe für das Geschäft ihres Mannes getätigt. Aber: «Das ist doch keine Arbeit!»

Sie sei eine schwer kranke Frau, daran gebe es nichts zu rütteln. Kopf, Rücken, Nacken – alles tue ihr ständig weh. Ihre Selbstdiagnose: «Ich kann nicht arbeiten!»

Zeugen belasten Miradije F. schwer

Versicherungsberater F. D.* (60) berichtet das Gegenteil: «Ich kenne sie als aufgestellte Frau, die uns Versicherungskunden vermittelte. Die Zusammenarbeit war sehr angenehm.»

Miradije F. habe jeweils Verträge persönlich bei ihm vorbeigebracht, die stets ihr Mann unterschrieben hatte.

«Frau F. stand bei uns mehrfach als Erntehelferin im Einsatz und lieferte gute Arbeit ab. Sie hatte Pfupf», sagt Weinbauer R. S.* (49) aus Berneck SG. Dass es sich bei ihr um eine IV-Rentnerin handelte, habe er nicht gewusst.

Die Zeugen D. und S. bekräftigen gegenüber BLICK zudem den Vorwurf, wonach vor ihrer polizeilichen Befragung Ahmet F. aufkreuzte, um sie erfolglos zu Falschaussagen betreffend seine Gattin anzustiften.

Herr und Frau F. bestreiten dies. Unbestritten sind dagegen Ferienausflüge der IV-Bezügerin auf die Malediven, nach Dubai und Kroatien. Die Bilder seiner glücklichen Partnerin hat Ahmet F. bei Facebook inzwischen wieder gelöscht.

Es drohen happige Strafen

«Manchmal lache ich auf Bildern, damit auch meine Familie glücklich sein kann», erklärt Miradije F. die Schnappschüsse. «Wir haben die Reisen selbst bezahlt, das war unser Geld», betont Ahmet F.

Abgesehen von einem nicht deklarierten Firmenkonto hätten sie sich gar nichts vorzuwerfen. Auch nicht den Niedergang ihrer Versicherungsfirma. Diese ging laut Staatsanwaltschaft pleite, da Miradije F. nach ihrem Auffliegen dort nicht mehr arbeiten konnte.

Der Gatte widerspricht: «Das stimmt nicht. Ich hatte in dieser Zeit selbst eine Verletzung und war längere Zeit krank. Deshalb liefen die Geschäfte nicht mehr», so Ahmet F.

Und der Vorwurf, dass aus der angeschlagenen Firma angeblich Mittel verschwanden, um den Zweitwohnsitz der Eheleute aufzumöbeln? «Nein, das war unser Geld», betonen beide wiederum.

Aller Unschuldsbekundungen zum Trotz: Für Miradije F. werden 4½ Jahre Haft gefordert. Ahmet F. drohen zwei Jahre bedingt sowie ein Landesverweis von sechs Jahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert

Was dürfen IV-Bezüger?

Grundsätzlich können auch Bezüger von IV- und Ergänzungsleistungen tun und lassen, was sie wollen. Es gibt keine Verbote für einzelne Tätigkeiten wie Einkaufen oder Hausarbeiten. 

Auch können sich Betroffene in vielen Fällen ohne schlechtes Gewissen hinter das Steuer eines Autos setzen und haben womöglich gar ein Anrecht auf Amortisationsbeiträge für ihr Fahrzeug.

Ferienaufenthalte, auch im Ausland, bleiben Leistungsbezügern ebenfalls nicht verwehrt. Die Behörden dürfen nur nachprüfen, wofür das Geld ausgegeben wurde. Und in diesem Zusammenhang Quittungen und Belege einfordern.

Verboten ist lediglich das Verschenken von Vermögen ohne Gegenleistung, ein sogenannter Vermögensverzicht. In solchen Fällen drohen Leistungskürzungen. 

Zudem sind sie von Beginn an verpflichtet, gegenüber der IV wahrheitsgetreue Aussagen zu ihrem Gesundheitszustand zu machen. Aus diesen Angaben lässt sich zusammen mit ärztlichen Gutachten überhaupt erst der Grad der Invalidität und damit auch der Rentenanspruch ableiten.

Grundsätzlich können auch Bezüger von IV- und Ergänzungsleistungen tun und lassen, was sie wollen. Es gibt keine Verbote für einzelne Tätigkeiten wie Einkaufen oder Hausarbeiten. 

Auch können sich Betroffene in vielen Fällen ohne schlechtes Gewissen hinter das Steuer eines Autos setzen und haben womöglich gar ein Anrecht auf Amortisationsbeiträge für ihr Fahrzeug.

Ferienaufenthalte, auch im Ausland, bleiben Leistungsbezügern ebenfalls nicht verwehrt. Die Behörden dürfen nur nachprüfen, wofür das Geld ausgegeben wurde. Und in diesem Zusammenhang Quittungen und Belege einfordern.

Verboten ist lediglich das Verschenken von Vermögen ohne Gegenleistung, ein sogenannter Vermögensverzicht. In solchen Fällen drohen Leistungskürzungen. 

Zudem sind sie von Beginn an verpflichtet, gegenüber der IV wahrheitsgetreue Aussagen zu ihrem Gesundheitszustand zu machen. Aus diesen Angaben lässt sich zusammen mit ärztlichen Gutachten überhaupt erst der Grad der Invalidität und damit auch der Rentenanspruch ableiten.

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