Menschen mit Behinderung
Protesttag, National Games und Fussballturnier für mehr Inklusion

Die Schweiz tut sich schwer mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Sichtbarkeit könnte Abhilfe schaffen: St. Gallen wird im Juni Schauplatz der National Summer Games und im August findet auf dem Klosterplatz ein inklusives Fussballturnier statt.
Publiziert: 02.05.2022 um 12:02 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2022 um 13:47 Uhr
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Tempo machen für die Inklusion: In St. Gallen finden in den nächsten Wochen mehrere Veranstaltungen statt, bei denen die gesellschaftliche Teilhabe gefördert werden soll.
Foto: Special Olympics Switzerland

Die Schweiz verletzt in vielerlei Hinsicht die Rechte der rund 1,8 Millionen Menschen mit Behinderungen. Laut dem zuständigen Uno-Ausschuss wird die geforderte Inklusion auf allen Staatsebenen und in der Gesellschaft noch zu wenig gelebt.

Cem Kirmizitoprak, Leiter der Beratungsstelle Inklusion in St. Gallen, sitzt im Rollstuhl. Er nennt sich selbst Inklusionsagent und macht sich politisch wie auch gesellschaftlich für Inklusion stark. Während der vergangenen Novembersession übergab er der St. Galler SP-Regierungsrätin Laura Bucher Forderungen für den stärkeren Einbezug behinderter Menschen.

Mitte März an der Medienkonferenz zu Milo Raus «Wilhelm Tell» Premiere im Zürcher Pfauen sagt der Laienschauspieler, dass wir alle Menschen seien und dass auch alle Menschen eine Behinderung hätten, bloss sei nicht jede davon anerkannt. Inklusion funktioniere dann, wenn viele Menschen mitmachten.

Unter dem Leitthema «Neue Perspektiven» präsentiert das Tanzfestival Steps in diesem Jahr auch zwei Produktionen mit Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderungen. Inspiriert von der historischen Künstlergemeinschaft des Monte Verità, setzt sich die gebürtige Amerikanerin Annie Hanauer mit verschiedenen Konzepten von Utopien auseinander.

Im Stück «A space for all our tomorrows» untersucht sie die Bedeutung des Themas aus der Sicht von drei Körpern, die von der Norm abweichen. Das Programm macht am 16. Mai auch in der St. Galler Lokremise Station.

Die Behindertenseelsorge, eine Fachstelle des Bistums St. Gallen, träumt von einer Kirche, in der sich Menschen mit Behinderung beheimatet fühlen und selbstverständlich am Leben der Ortskirche teilnehmen können.

Im Rahmen des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung findet am 9. Mai in der Kathedrale St. Gallen unter dem Titel «Segen inklusiv» eine gemeinsame Segensfeier statt. Neben Seelsorgepersonen wirkt auch eine Gebärdendolmetscherin und eine Spitalclownin mit.

Der Protesttag wurde 1992 von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) initiiert. 30 Jahre und nur ein bisschen weiter, schreibt die ISL und will 2022 «Tempo machen für Inklusion». Barrierefreiheit und Mobilität stehen im Fokus der Aktivitäten.

Am 5. August wird auf dem Klosterplatz eine inklusives Fussballturnier ausgetragen. Das Turnier findet im Rahmen eines erlebnispädagogischen Fussballcamps statt, bei dem durch Sport und Spiel Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe gefördert werden soll. Der Öffentlichkeit soll gezeigt werden, dass Inklusion möglich ist.

Dass Sport verbindet, wollen auch die National Summer Games vonSpecial Olympics Switerzland zeigen. National Games sind die jeweils grösste Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und finden alle zwei Jahre im Winter respektive im Sommer statt. Vom 15. bis 19. Juni kämpfen rund 1500 Athletinnen und Athleten aus der ganzen Schweiz in 14 Sportarten um Medaillen.

Die National Summer Games St. Gallen 2022 sind nicht nur ein sportliches Grossereignis. «Sie sind auch ein Leuchtturm für die Integration von Menschen mit einer Beeinträchtigung in die Sportvereine und die Gesellschaft», schreibt die Valida, die den Trägerverein gründete, um die Spiele durchzuführen. Als Hostpartner wirkt das soziale Unternehmen auch im Vorstand und Organisationskomitee aktiv mit.

Die Organisatoren wollen ein Ausrufezeichen für die Integration setzen: «Mit und für unsere Special Athletes, mitten in der Stadt, am Puls der Region, im Herzen der Gesellschaft.» Der Aufwand ist enorm: In den neun Spielstätten - vom Golfpark Waldkirch bis zum Segelhafen in Arbon - sorgen mehrere hundert Volunteers für die «emotionalste Sportveranstaltung der Schweiz».

Die Valida begleitet seit über 90 Jahren Menschen mit Unterstützungsbedarf in der Ausbildung, bei der Arbeit, beim Wohnen und in der Freizeit. Das soziale Unternehmen bietet an sechs Standorten rund 500 Arbeitsplätze und ein Wohnangebot für 90 Menschen an und ist damit eine der grössten Behinderten-Institutionen der Ostschweiz.

Der Anteil der Menschen mit Behinderungen steigt mit dem Alter an. Lediglich zehn Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 16 und 24 Jahren leben mit einer Behinderung, gegenüber 47 Prozent der Personen ab 85 Jahren, wie das Bundesamt für Statistik schreibt.

Viele funktionelle Einschränkungen oder behindernde Erkrankungen treten mit dem Alter auf. Ab 65 Jahren bilden diejenigen Personen eine Minderheit, die bereits eine Behinderung hatten, als sie jünger waren.

(SDA)

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