Auf einen Blick
- Polizei verwechselt Zwillinge, falscher Bruder vorgeladen
- Matthias P. gibt falschen Nachnamen an, Polizei ruft SBB
- Matthias P. muss 1350 Franken Strafe zahlen
Ein eineiiges Zwillingspaar hat bei der St. Galler Polizei für doppelten Ärger gesorgt. Denn die Beamten verwechselten die beiden Brüder, die genau gleich aussehen. Und luden zwischenzeitlich den falschen Zwilling vor. Bis heute ist die Polizei nicht sicher, ob der Richtige bestraft worden ist!
Rückblick: Am Morgen des 12. Juli dieses Jahres stieg Matthias P.* (28) übermüdet in Heerbrugg SG in den Interregio in Richtung St. Gallen ein. Ziel: seine Arbeitsstelle in Winterthur. P., gerade Vater eines kleinen Sohnes geworden, hatte vor, bis Winterthur durchzuschlafen.
Bei der Billettkontrolle fiel ihm ein, dass er sein Portemonnaie zu Hause vergessen hatte. Er gibt zu: «Ich war pampig und müde.» Die Kontrolleurin liess sich das nicht bieten und zückte den Bussenblock. Angesäuert füllte Matthias P. das Formular «Reisen ohne gültigen Fahrausweis» aus. Aus Trotz gibt er den Nachnamen seiner Mutter an. Die Kontrolleurin wurde misstrauisch und rief die Polizei.
Die wiederum klärte die Identität ab. Und machte dabei einen folgenschweren Fehler. Die Polizisten dachten nämlich, vor ihnen steht Anton P.* (28) – der Zwillingsbruder des renitenten Schwarzfahrers. Dieser hat denselben Geburtstag wie Matthias, wohnt zudem an der gleichen Strasse im St. Galler Rheintal und sieht auf dem Foto fast genau gleich aus.
Matthias P. bleibt bockig
Es wurde also eine neue Busse ausgestellt, auf den Namen des falschen Bruders. «Ich weigerte mich, zu unterschreiben», sagt Matthias P, dessen Laune sich in der Zwischenzeit offensichtlich noch immer nicht aufgehellt hat.
Einen Tag später geht er zum SBB-Schalter, will sein Monatsabo vorweisen, um einer Busse entgegenzuwirken. Nur: Offiziell hat er mit dem Fall ja gar nichts zu tun – sondern sein unbescholtener Zwillingsbruder.
Im September wird also der falsche Beschuldigte bei der Kantonspolizei im Rheintal vorgeladen. «Vehement» habe dieser bestritten, etwas mit dem Fall zu tun zu haben, ist im Strafbefehl vermerkt. Und: Er konnte belegen, zum fraglichen Zeitpunkt bei der Arbeit gewesen zu sein. Schliesslich landet die Behörden-Post doch noch im richtigen Briefkasten.
Blick kontaktiert Matthias P. Weil dieser seinen eingeschriebenen Brief nicht abgeholt hat, weiss er nicht, dass er nun über tausend Franken bezahlen muss. Busse, Gebühren für Polizei und Staatsanwaltschaft beschert dem 28-Jährigen eine Rechnung von 1350 Franken. Straftatbestand: Erschleichen einer Leistung und Urkundenfälschung. «Ich hätte mit mehr gerechnet», sagt Matthias P. lethargisch.
Spezieller Fall – auch für die Polizei
Warum die Polizei auf den falschen Bruder kam, lässt sich nicht bis ins letzte Detail rekonstruieren. Der Schwarzfahrer-Zwilling behauptet, bei der Kontrolle die richtigen Angaben gemacht zu haben. Bei der Polizei klingt es anders. Stadtpolizei-Mediensprecher Dionys Widmer sagt gegenüber Blick: «Das hinterlegte Bild im System passte genau auf den Mann, weshalb er als diese Person identifiziert wurde. Er hat uns gegenüber während der Kontrolle nicht erwähnt, dass er einen eineiigen Zwillingsbruder hat.»
Bis heute sei man sich nicht ganz sicher, ob der Strafbefehl beim richtigen Zwilling gelandet ist: «Ob jetzt an diesem Morgen er oder sein Zwillingsbruder vor uns gestanden war, können wir nicht sagen.»
Die Anzeige der SBB macht dem bockigen Familienvater jetzt einen Strich durch die Festtagsrechnung: «Ich wollte dieses Jahr eigentlich für Familie und Freunde Weihnachtsgeschenkli kaufen. Das liegt jetzt nicht mehr drin.» Den Zuschlag für das Reisen ohne Fahrausweis der SBB will P. bezahlen. Gegen den Strafbefehl will er Beschwerde einreichen.
Zeit für genügendes Sitzen und Schlafen hätte Matthias P. genug – und zwar dann, wenn er die Rechnung der Staatsanwaltschaft nicht bezahlt. In diesem Fall müsste er gemäss Strafbefehl sieben Tage in den Knast. Die SBB will zum laufenden Verfahren nichts sagen.
* Namen geändert