Die rechtlichen Voraussetzungen für Schuldsprüche in den verschiedenen Anklagepunkten seien nicht gegeben, schreibt das Kantonsgericht in seinem am Freitag publizierten Urteil.
Das Gericht verwies gemäss dem schriftlichen Urteil auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts. Ein unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder Sozialhilfe liege nicht vor, schrieb das Kantonsgericht weiter. Ein entsprechender Gesetzesartikel sei seit dem 1. Oktober 2016 in Kraft.
Das Paar hatte in St. Margrethen unter anderem von Herbst 2012 bis Dezember 2016 Sozialhilfe bezogen. Vom Oktober 2016 an erhielten der Mann und die Frau aber auch noch rund 5000 Franken pro Monat von Dritten. «Diese Zuwendungen waren aber zweckgebunden, um Bussen und Geldstrafen der Beschuldigten zu bezahlen, damit sie keine Ersatzfreiheitsstrafen antreten mussten», so das Kantonsgericht.
Die Staatsanwaltschaft warf dem Ehepaar vor, dass es dem Sozialamt finanzielle Zuwendungen von Verwandten und Dritten nicht gemeldet habe. Dadurch habe das Paar zu hohe Leistungen bezogen. Sie forderte unter anderem eine Verurteilung wegen Betrugs.
Die beiden Sozialhilfebezüger hätten es zwar unterlassen, die veränderten Verhältnisse zu melden. Allerdings hätten sie das Sozialamt nicht aktiv getäuscht, findet jedoch das Kantonsgericht. Daher sei eine Verurteilung wegen Betrugs nicht möglich.
Weitere Vorwürfe betrafen die angebliche Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. Die Tochter sei dem obligatorischen Schullager sowie dem Sportunterricht ferngeblieben. Zudem hätten Tochter und Sohn nicht am Schwimmunterricht teilgenommen.
Eine Verurteilung wegen der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht stützte das Kantonsgericht ebenfalls nicht, auch wenn teilweise Widerhandlungen gegen das Volksschulgesetz vorliegen würden. Es handle sich dabei jedoch um Übertretungen, die bereits vor dem Entscheid des Kreisgerichtes verjährt gewesen seien.
Im erstinstanzlichen Prozess im Jahr 2021 hatte das Kreisgericht Rheintal die Eheleute wegen mehrfachem unrechtmässigem Bezug von Sozialleistungen schuldig gesprochen.
Ausserdem sah es das Gericht damals als erwiesen an, dass die Eltern die Fürsorge- und Erziehungspflicht mehrfach verletzt hätten. Gegen beide Personen sprach das Gericht damals unter anderem einen Landesverweis von fünf Jahren aus.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Familie die Gerichte beschäftigt. In einem weiteren Prozess erhielt die Familie Ende 2015 vom Bundesgericht Recht: Der älteren Tochter wurde erlaubt, mit Kopftuch zur Schule zu gehen. In jenem Verfahren wurde die Familie vom Islamischen Zentralrat der Schweiz unterstützt.
Das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen ist noch nicht rechtskräftig.