Mutter schildert ihr traumatisierendes Erlebnis
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«Nie mehr Kispi St. Gallen»:Mutter schildert ihr traumatisierendes Erlebnis

Kinderspital St. Gallen leistet sich gleich zweimal eine fast verheerende Fehldiagnose
«Ich hatte Angst, dass mein Sohn zu Hause stirbt!»

Gleich zweimal soll das Kinderspital in St. Gallen den kleinen Andrej (4) falsch diagnostiziert haben. Der Kleine kam mit über 40 Grad Fieber und wurde mit den Worten «nur eine Grippe» entlassen. In einem Fall übersahen die Ärzte sogar eine schwere Lungenentzündung.
Publiziert: 12.10.2024 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2024 um 07:20 Uhr
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Er kann wieder lachen: Andrej (4) mit seiner Mutter Joane Schneider (26).
Foto: Sandro Zulian

Auf einen Blick

  • Mutter verzweifelt wegen unzureichender Behandlung im Kinderspital
  • Bluttest bei 40 Grad Fieber als unnötig abgelehnt
  • CRP-Wert von Andrej stieg auf über 230
  • Ärztin verweigerte erneut Bluttest trotz hoher Temperaturen
  • Kinderspital bietet Mutter Gespräch an
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sandro ZulianReporter News

Es ist das Horrorszenario für alle Eltern. Das Kind hat hohes Fieber, es ist Wochenende und niemand kann helfen. In dieser Verzweiflung gibt es für viele Eltern nur eines: ab ins «Kispi» – das Kinderspital. 

So auch bei Joane Schneider (26) aus Thal SG. Die Mutter von Andrej (4) und einem acht Monate alten Töchterchen war im September 2023 mit ihrem Latein am Ende. «Ich hatte Angst, dass mein Sohn zu Hause stirbt!», sagt die Vollzeit-Mama gegenüber Blick.

Andrejs kleiner Körper kämpfte schon seit ein paar Tagen mit Husten und Fieber. Als er aber hörbar immer weniger Luft bekam und nichts mehr ass oder trank, beschloss Joane Schneider, ihn ins Spital zu bringen. 

Bluttest bei 40 Grad Fieber «nicht nötig»

Im Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen wurde dem Kind Blut und Urin abgenommen. Dass sein CRP-Wert, mit dem man Entzündungen im Körper misst, bei über 50 lag, schien das medizinische Personal noch nicht zu besorgen: «Er hat nur eine Grippe», hiess es. Schneider solle ihren Sohn mit Paracetamol und Ibuprofen zu Hause pflegen und auskurieren lassen. So ging die Familie wieder. 

Doch als Andrej praktisch nur noch schrie und sein Fieber an der 41-Grad-Marke kratzte, bekam es seine Mutter mit der Angst zu tun – und ging abermals ins «Kispi». Dort dann aber die grosse Ernüchterung: «Nicht nötig», hiess es, nachdem Schneider darum gebeten hatte, noch einmal einen Bluttest durchzuführen.

«Wie schlecht muss es einem Kind denn gehen?»

Auch Schneiders Vorschlag, den Buben auf das Streptokokken-Bakterium zu untersuchen, wurde in den Wind geschossen. Weiterbehandeln wie gehabt, so die Anweisung. «Wie schlecht muss es einem Kind denn noch gehen, damit man im Spital alles Nötige macht, um zu schauen, was ihm fehlt?», fragt Schneider. 

Noch eine Nacht voller Ungewissheit später ging Schneider sofort zu ihrem Kinderarzt. Dort dann der Schock: Andrej hat eine schwere Lungenentzündung inklusive Flüssigkeitsansammlung im Lungengewebe. Sein CRP-Wert wird nur noch mit «grösser als 230» angegeben. Höhere Werte zeigt das Gerät gar nicht an. 

Der Kinderarzt ordnet Antibiotika an – das schlägt sofort an, sagt Schneider: «Innert eines Tages war eine Besserung zu sehen.» 

Das ganze Spiel noch einmal

Ende September dieses Jahres ging es wieder los – wieder an einem Wochenende. Dieselben Symptome bei Andrej: Hohes Fieber, fehlende Energie, starker Husten. «Ich messe die Temperatur immer doppelt. Einmal im Ohr und einmal im Po», sagt Schneider. Beide Messungen ergaben Werte um die 40 Grad. 

Einmal mehr hiess es: ab ins Spital. Im «Kispi» untersuchte man sein Herz und seine Lunge. Er habe nur einen roten Rachen und ein wenig geschwollene Mandeln, so die Ärzte. Einen Bluttest lehnten sie ab. «Das habe ich nicht akzeptiert», sagt Schneider. Also verlangt sie, mit der zuständigen Ärztin zu sprechen. 

«Sie haben ein Problem mit meiner Behandlung?»

Nach einer Stunde im Wartebereich habe die Ärztin ohne Begrüssung gesagt: «Sie haben ein Problem mit meiner Behandlung?» Beim Gespräch erfährt die junge Mutter von der Ärztin mit Nachdruck, dass eine Blutprobe «nicht nötig» sei. Rachenspray, Paracetamol und Ibuprofen würden reichen. 

So geht Schneider am Tag darauf wieder zu ihrem Kinderarzt. Dieser diagnostiziert: akute Bronchitis und Mandelentzündung. Wieder bekommt das Kind Antibiotika und gesundet schnell, wieder wurde die Erkrankung im Kispi nicht diagnostiziert. «Das hätte man verhindern können. Zweimal!», sagt Joane Schneider. 

Sie geht nie mehr ins «Kispi» nach St. Gallen

Joane Schneider ist vom Kinderspital enttäuscht: «Ich wünsche mir, dass sie die Sorgen der Eltern ernst nehmen. Ich bin weiss Gott keine Mutter, die wegen jedes Wehwehchens ins Spital rennt, aber hier war es nötig.» Schneider versteht insbesondere nicht, warum man den Bluttest verweigert: «Es dauert wirklich nicht lange!»

Für Schneider ist der Fall klar: «Ins Kinderspital nach St. Gallen gehe ich nicht mehr. Ich nehme gerne den Weg nach Winterthur auf mich. Von dort habe ich nur Gutes gehört.»

Um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen, bewertet sie das «Kispi» auf Google mit einem Stern und schreibt unter anderem: «Ich fordere Sie auf, diese Beschwerde ernst zu nehmen und umgehend Massnahmen zu ergreifen!» Die Rezension ist auf der Google-Seite jetzt aber nirgends mehr zu finden. 

«Notfallbehandlungen sind immer auch mit Emotionen verbunden»

Guido Bucher, Direktor des Ostschweizer Kinderspitals, schreibt auf Anfrage von Blick: «Wir bedauern, wenn die Behandlung von Andrej nicht den Erwartungen der Mutter entsprochen hat.» Auf die beiden Fälle geht Bucher nicht im Detail ein, aber: «Das Thema Notfallbehandlungen ist gerade in der Kindermedizin sehr vielschichtig und immer auch mit Emotionen verbunden.»

Man sei mit Joane Schneider in Kontakt: «Ihr Wunsch nach einem ärztlichen Fachgespräch wurde entgegengenommen und eigentlich lief bereits die Terminplanung. In solchen Gesprächen können die Fragestellungen zur Behandlung im Detail aufgearbeitet werden.» Solche Gespräche dienten zur Erklärung und um «uns gegebenenfalls verbessern zu können».

Die Google-Rezension sei nicht durch das Kinderspital gelöscht worden. «Warum, beziehungsweise durch wen die Rezension entfernt wurde, können wir nicht nachvollziehen», sagt Bucher.

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