St. Galler fast getötet – Staatsanwältin über Verletzungen nach blutigem Messerangriff
«Timo B. stand an der Himmelspforte und ist zurückgekehrt»

Wegen eines Beziehungsstreits gingen fünf Männer mit Messer und Beil bewaffnet aufeinander los. Sechs Messerstiche, literweise Blutverlust und eine Notoperation. Jetzt spricht einer der Involvierten exklusiv mit Blick. Am Dienstag steht er vor Gericht.
Publiziert: 13.02.2024 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2024 um 11:07 Uhr
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Timo B. spricht vor dem Prozess mit Blick über die Tat.
Foto: Blick
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Sandro ZulianReporter News

Das Schlusswort des Messer-Angreifers am Kreisgericht St. Gallen war bezeichnend für den Vorfall, der sich damals in St. Gallen zutrug: «Wir alle haben einen riesigen Schiissdreck gemacht.» Vor dem Gericht mussten sich am Dienstag vier Männer verantworten. Es geht um versuchte, vorsätzliche Tötung, Raufhandel und Körperverletzung. Zwei der Angeklagten gelten als Haupttäter.

Die Tragödie begann am Pfingssonntag 2021 mit einem Streit zwischen Timo B.* (32) und seiner Freundin. Streitpunkt: Milch. Dabei rief die verängstigte Freundin ihren Bruder an und sagte, ihr Freund habe sie geschlagen. Der Bruder kam daraufhin gleich mit noch einem Bruder und drei Kollegen im Schlepptau.

Sechs Stiche auf den Kontrahenten

Als sie hereinkamen, schlug Timo B. dem Bruder seiner Freundin Ramon T. (30) ein Beil auf die Stirn. Nach einem Gerangel zog Ramon T. ein Messer aus der Tasche und stach damit sechsmal wie wild auf den am Boden liegenden Timo B. ein.

«Ich bin bei der Einvernahme sehr erschrocken, dass es sechs Stiche waren», sagt der Angeklagte auf eine Frage des Richters. An die wichtigen paar Sekunden der Tat will er sich nicht erinnern können.

Literweise Blut verlor der Timo B. – vor Gericht erzählte er sehr gelassen davon. «Einer der behandelnden Ärzte ging davon aus, mich nicht mehr lebend zu sehen.» Timo B. stand gleichermassen als Opfer vor Gericht, wie auch als Täter. Das Beil habe er seinem Ex-Kollegen in Notwehr auf die Stirn geschlagen. Auch Timo B. will an die essenziellen paar Sekunden keine Erinnerung mehr haben.

«Ein Bild wie aus einem Horrorfilm»

Am Kreisgericht standen der Staatsanwältin vier Strafverteidiger gegenüber, die sich während sechs Stunden über die schlechte Arbeit der Anklage ausliessen. Diese zeichnete derweil ein grausiges Bild vom Tatort, einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung in St. Gallen: «Als die Polizisten eintrafen, bot sich ihnen ein Bild wie aus einem Horrorfilm.»

Die grosse Überraschung: eine sogenannte «Desinteresseerklärung» der Schlägertruppe. Heisst auf Deutsch: die Angeklagten vertragen sich wieder und haben kein Interesse daran, einander auch noch juristisch an die Gurgel zu gehen. In aller Regel führt eine solche Erklärung dazu, dass das Verfahren eingestellt wird. In diesem Fall nicht, so die Staatsanwältin: «Weil es sich hier um eine unvorhergesehene Gewalteskalation handelt, hat die Öffentlichkeit ein Interesse daran, dass die Täter bestraft werden.»

Die Strafanträge werden indes ein dafür abgeschwächt. Haupttäter eins, Timo B., soll noch immer über drei Jahre ins Gefängnis. Ihm wird aufgrund weiterer Delikte und seiner nicht gerade unbescholtener Vergangenheit keine gute Prognose gestellt. Haupttäter zwei, Ramon T., soll ebenfalls eine Zelle von innen sehen. Allerdings maximal ein paar Monate lang. Straftatbestand bei beiden: versuchte, vorsätzliche Tötung.

Die Verteidiger fordern Freisprüche und die Einstellung des Verfahrens. Der Richter sagte am Schluss der Verhandlung: «Wir haben heikle und diffizile Rechtsfragen zu klären.»

Das Urteil folgt am Freitag. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert

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