Auf einen Blick
- Einbrüche in Rüthi SG beunruhigen Unternehmer Marcel Palfner (53)
- Grenznahe Lage begünstigt Einbrecher, die schnell flüchten können
- 347 Einbrüche seit September, 31 Prozent mehr als im Vorjahr
Marcel Palfner (53) ist besorgt. Der Unternehmer hat in Rüthi SG, keine 400 Meter Luftlinie von der österreichischen Grenze, seinen Betrieb und verkauft Verbrauchsmaterial für Zahnärzte. Vor knapp einem Monat kam Palfner am Montagmorgen normal zur Arbeit und bemerkte: «Ein abmontiertes Fenster und ein Chaos im Betrieb.»
Einbrecher haben dem KMU-Chef einen Besuch abgestattet, verursachten einen Schaden von knapp 20'000 Franken. «Ich war hässig. Man hört zwar immer wieder von Einbrüchen, aber man denkt halt nicht, dass man selbst betroffen sein könnte.»
«Harrgottzack, scho wieder!»
Nach dem Einbruch Mitte Januar rüstet Palfner auf. Er installiert eine Überwachungskamera bei seiner Lagerhalle. Und die verfehlt ihr Ziel am vergangenen Wochenende nicht – und das nur Wochen nach dem letzten Einbruch: «Kurz vor Mitternacht hat die Kamera einen Alarm ausgelöst. Man sieht, wie hier jemand herumspaziert.» Tatsächlich: Auf den Videoaufnahmen sieht man vier Männer, mit Sturmhauben vermummt und teils mit Taschenlampen ausgestattet, um Palfners Firmensitz schleichen.
Palfners erste Reaktion in breitem Rheintalerdialekt: «Harrgottzack, scho wieder.» Die vier Männer lassen sich nicht einmal von der Kamera beunruhigen und leuchten direkt in die Linse. «Das sind organisierte Banden aus dem Ausland. Die spazieren hier absolut stressfrei, voll vermummt umher, vorbereitet auf alles», sagt Palfner. Weggekommen sei am Wochenende nichts. «Das war eine neue Bande, die geschaut hat, in welcher Halle etwas zu holen ist», sagt Palfner. Er wagt eine Prognose: «Ich vermute, wir bekommen in den nächsten Wochen wieder einen Besuch. Der wird dann aber konkreter.»
«Schnell im Land, schnell im Industriegebiet, schnell wieder weg»
Das Industriegebiet Widen in Rüthi SG sei für Einbrecher perfekt gelegen. Die beiden Grenzübergänge Rüthi und Oberriet: ruhig. «Tot» nennt Palfner sie. Die Einbrecher seien «schnell im Land, schnell im Industriegebiet und schnell wieder weg». Auf dem schnellsten Weg erreicht man das Industriegebiet in Rüthi von der Grenze aus über eine Brücke.
Darunter schlängeln sich Feld- und Landwirtschaftswege durch die Natur neben dem Rheintaler Binnenkanal. «Parkiert man hier im Dunkeln», sagt Palfner und deutet auf einen Platz direkt unter der Brücke, «dann bleibt man ungesehen». Die Stimmung im Rheintal, insbesondere in der Nähe der Grenze, sei nervös, denn: «Wer in der Schweiz an der Grenze wohnt, ist Einbrechern komplett ausgeliefert.» Denn die Polizei zeige sich viel zu selten, so Palfner.
Kantonspolizei: «Anstieg um 31 Prozent»
Blick analysiert die Medienmitteilungen der Kantonspolizei St. Gallen: Von Anfang September letzten Jahres bis zum heutigen Tag meldete die Polizei an der St. Galler Landesgrenze – von Rorschach bis Bad Ragaz in Gemeinden bis maximal zehn Kilometer von der Grenze entfernt – über 100 Einbrüche. Darunter fallen Einbruchdiebstähle in Autos, Boote, Wohnhäuser und Industrie und die Versuche dazu.
Noch eindrücklicher wird es, als Hanspeter Krüsi, Leiter Kommunikation bei der Kantonspolizei, auf Anfrage von Blick, die Zahlen des gesamten Gebiets der beiden Polizeiregionen Bodensee-Rheintal und Werdenberg-Sarganserland aufschlüsselt. Das Ergebnis ist dramatisch: Ganze 347 Einbruch- und Einschleichdiebstähle gab es zwischen September 2024 und heute. «Vergleicht man diesen Zeitraum mit demselben Zeitraum des Vorjahres, ist ein Anstieg von rund 31 Prozent feststellbar.» Letztes Jahr waren es 265 Fälle. Kommentieren möchte Krüsi die Zahl nicht. Das bedingte eine grösser angelegte Analyse vergangener Jahre.
«Nicht möglich, überall gleichzeitig Präsenz zu zeigen»
«Ein grosser Anteil der Einbrüche wird von organisierten, grenzüberschreitenden Banden begangen», sagt Krüsi. Aber nicht nur. In der Winterzeit lege die Kantonspolizei einen besonderen Schwerpunkt auf Kontrollen rund um Liegenschaften, um Einbrecher von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Polizisten fahren teilweise auch in zivilen Fahrzeugen durch die Gegend, weshalb sie von der Bevölkerung nicht wahrgenommen würden.
Der Medienchef der Kantonspolizei fügt an: «Tatsache ist aber, dass es nicht möglich ist, überall gleichzeitig Präsenz zu zeigen.» Das hinge vom Tagesgeschäft und von der Anzahl Pflichteinsätze ab. «Je ruhiger die Lage, desto mehr Ressourcen stehen für Kontrolltätigkeiten zur Verfügung.» Für besorgte Bürgerinnen oder Unternehmer bietet die Kantonspolizei unter anderem kostenlose Sicherheitsberatungen an.