Trudy W.* (52) ist seit vielen Jahren auf Sozialhilfe angewiesen und die Hauptfigur in einem Streit zwischen den Städten Rorschach SG und St. Gallen.
Der Vorwurf: Rorschach soll W. die Anmeldung in der Gemeinde so lange verweigert haben, bis diese frustriert an ihren vormaligen Wohnort zurückkehrte. Hintergrund: W. verursachte ihrer Wohngemeinde über Jahre hinweg Sozialhilfekosten von mindestens 140'000 Franken – pro Jahr! Die Summe war deshalb so hoch, weil ihr die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) das Sorgerecht für ihre damals minderjährigen Kinder entzogen und diese in einem Heim platziert hatte. Das kostet.
Gutmütigkeit eines Helfers missbraucht
Der Ärger beginnt im Januar 2013 bei Gottlieb Kündig (57). «Trudy hat meine Hilfsbereitschaft ausgenutzt», sagt er heute. Er hatte W. in seiner Abwartswohnung im Rorschacher Industriequartier untergebracht.
Gleichzeitig wird in St. Gallen festgestellt, dass W. nicht mehr da ist – sie wird per 1.1.2013 polizeilich abgemeldet. Die Zahlungen an sie werden von Amtes wegen eingestellt.
Auch Kündig sieht keinen Rappen, da er kein Mietverhältnis will: «Trudy sagte, sie brauche Erholung. Nur für ein paar Tage. Danach wolle sie wieder nach St. Gallen zurückkehren.»
Erster Anmeldeversuch nach neun Monaten
Aber: Erst am 24. September 2013 erscheint Trudy W. auf dem Einwohneramt von Rorschach. Um sich – mehr als neun Monate nach ihrem Umzug – doch noch anzumelden.
Doch weil sie keinen Mietvertrag hat und schnellstmöglich ausziehen soll, wird W. abgewiesen. Trotzdem lebt sie noch ein halbes Jahr in der Gratis-Wohnung des gutmütigen Kündig, ehe dieser ein Hausverbot erwirkt.
Danach geht sie zu Markus Loretini (65). Der Rorschacher Rentner erinnert sich: «Sie sagte, offiziell lebe sie in St. Gallen, brauche jetzt aber hier eine Meldeadresse.» Trudy W. ist jedes Mittel recht. Der Rentner berichtet, sie habe sich hier ausgezogen und ihm Sex angeboten. Loretini winkt ab, lässt sie aber bei sich übernachten. «Bei unserem letzten Kontakt sagte sie mir, sie sei zu jemandem in St. Margrethen umgezogen», so Loretini.
Pensionsvertrag unterschrieben, dann wurde ihr gekündigt
Klar ist: Die Sozialhilfeempfängerin, die zwischenzeitlich auch in Liechtenstein gewesen sein soll, unternimmt weitere Anmeldeversuche in Rorschach. Im Juli 2014 unterzeichnet sie für einmal gar einen Vertrag in einer Pension, den die Vermieterin aber schnell wieder kündigt. Weil der Stadtpräsident, SVP-Nationalrat Thomas Müller (65), persönlich zum Hörer griff. Tatsächlich gesteht Müller BLICK, «dass das im Nachhinein betrachtet nicht die beste Idee war».
Es sei ihm aber um etwas anderes gegangen. Denn: «Da wurden aus einer baureifen Viereinhalbzimmerwohnung einzelne Zimmer gemacht, die dann zum saftigen Preis von 600 Franken und unter fragwürdigen feuerpolizeilichen Bedingungen vermietet wurden. Da habe ich der Vermieterin meine Meinung gesagt.»
Rorschach soll St. Gallen für fünf Jahre auszahlen
Fakt ist: Im Dezember 2014 zügelt Trudy W. wieder nach St. Gallen, wo sie seither lebt. Am alten Wohnort wittert man Betrug und reicht Klage gegen die Stadt Rorschach ein.
Mit Erfolg. Zuletzt hält das St. Galler Verwaltungsgericht fest, es sei «eine systematische Weigerung ersichtlich», W. ins Einwohnerregister einzutragen, um nicht für sie zahlen zu müssen.
Rorschach wird im nicht rechtskräftigen Urteil dazu verdonnert, die Sozialhilfekosten von Trudy W. bis zum 30. November 2019 zu übernehmen. Stadtpräsident Müller versteht die Welt nicht mehr: «Zeitweise war es völlig unklar, wo diese Frau lebte.» Und er ärgert sich darüber, dass man W. ohne harte Beweise hätte aufnehmen sollen. «Da kann ja jeder kommen und sagen: ‹Ich bin jetzt hier, bitte gebt mir Sozialhilfe.›» Eine Fortsetzung folgt vor Bundesgericht. Trudy W. wollte nicht mit BLICK sprechen.
* Name geändert