Die Verkehrsdelikte auf Schweizer Strassen sind vielfältig – und zahlreich. Gestern berichtete BLICK, dass im Kanton Zürich binnen eines Jahres über 100 Temposünder verhaftet wurden. Doch nicht immer schafft die Bestrafung von Verkehrsrowdys auch Gerechtigkeit. Das zeigt die tragische Geschichte der Thurgauerin Andrea Kolb (47). Ein BMW donnerte im letzten August in die Fussgängerin, die gerade mit ihren Hunden beim Spazieren war.
Durch den wuchtigen Aufprall in Mammern TG wird Kolbs rechtes Bein abgetrennt und zerfetzt, auch Ober- und Unterarm sind mehrfach gebrochen. Julia B. (19) sitzt am Steuer des Cabrios – und fährt trotz demolierter Windschutzscheibe rücksichtslos weiter. Statt den Blick auf die Strasse zu richten, tippt sie vor dem Zusammenstoss eilige SMS auf ihrem Handy. Um einem Alkohol- und Drogentest zu entgehen, stellt sich die Fahrerin erst zwei Tage später der Polizei.
Mildes Urteil – weil sie die Polizei austrickste?
Als BLICK sie zur Rede stellt, führt B. nur Ausreden ins Feld. «Wieso gibt es Leute, die mitten in der Nacht auf der Strasse herumlaufen?», fragt sie genervt. Sie sei beim Crash davon ausgegangen, ein Tier angefahren zu haben. Das Schicksal des Opfers lässt sie kalt: «Das Leben geht weiter. Ich habe andere Probleme!»
Trotz des folgenschweren Unfalls und der dreisten Aussagen im BLICK lässt der Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen TG Gnade vor Recht ergehen: B. wird zwar wegen fahrlässiger Körperverletzung, Fahrerflucht und Vereitelung eines Alkohol- und Drogentests verurteilt. Trotzdem kommt die junge Frau mit einer Busse von 1200 Franken davon. 4500 Franken Geldstrafe kommen auf Bewährung dazu. Diese werden nur fällig, wenn die Unfallverursacherin in ihrer Probezeit wieder etwas verbricht. Dabei hatte B. im Verfahren auch zugegeben, vor dem Crash regelmässig Kokain, Amphetamine und Hanf konsumiert zu haben. Zur «Strafe» kommen noch die Verfahrenskosten hinzu.
Opfer fühlt sich durch «Strafe» verhöhnt
Für Opfer Andrea Kolb ist das Urteil ein Schlag ins Gesicht. Sie ist schockiert: «Ich bin unglaublich enttäuscht und musste weinen, als ich es gelesen habe. In der Schweiz kann man anscheinend einfach Leute über den Haufen fahren – ohne Konsequenzen.»
Bis an ihr Lebensende ist die Tierschützerin auf Rollstuhl und Prothese angewiesen. Ihr Leben? Verpfuscht! «Eine aufrichtige Entschuldigung ist bis heute nicht gekommen», so Kolb. So ungeschoren wie die Thurgauer Justiz will das Opfer Julia B. aber nicht davonkommen lassen. «Ich werde sie verklagen und auf einer finanziellen Entschädigung beharren», sagt Kolb. Das Geld daraus könnte in ihren Traum von einer eigenen Hundepension fliessen. Es ist nach der Beinamputation ein Projekt auf dem Weg zurück in die Normalität. Julia B. war für eine Stellungnahme zu dem für sie günstigen Urteil nicht erreichbar.
* Name d. Red. bekannt
Kommentar von Nachrichtenchef Sandro Inguscio
Man muss es sich bildlich vor Augen führen: Eine geständige Drogenkonsumentin donnert mit ihrem BMW durch die Nacht. Tippt dabei auf ihrem Handy. Brettert in eine Fussgängerin, lädt sie auf ihre Frontscheibe. Trennt ihr so ein Bein ab. Fährt dann einfach weiter, taucht für zwei Tage unter und kann sich so einem Alkohol- und Drogentest entziehen. Und statt sich jemals zu entschuldigen, hat sie auch noch die Dreistigkeit, ihr Opfer öffentlich mit lapidaren Aussagen zu verhöhnen.
Das Beschämende daran: Das Gericht tut es ihr mit diesem Urteil genau gleich! 1200 Franken Busse für ein verlorenes Bein? Für ein Leben, das nie mehr das gleiche sein wird? Das ist nicht nur ein Hohn für Opfer Andrea Kolb, sondern auch ein fatales Signal.
Denn solange Unfälle mit Schwerverletzten, solange Fahrerflucht, solange nicht angetretene Alkohol- und Drogentests, solange Uneinsichtigkeit und Unwille zu Reue mit solchen Kuschelurteilen belohnt werden, so lange wüten Rowdys auf unseren Strassen weiter. Und das ist ein Bild, das sich wirklich keiner ausmalen will.
Kommentar von Nachrichtenchef Sandro Inguscio
Man muss es sich bildlich vor Augen führen: Eine geständige Drogenkonsumentin donnert mit ihrem BMW durch die Nacht. Tippt dabei auf ihrem Handy. Brettert in eine Fussgängerin, lädt sie auf ihre Frontscheibe. Trennt ihr so ein Bein ab. Fährt dann einfach weiter, taucht für zwei Tage unter und kann sich so einem Alkohol- und Drogentest entziehen. Und statt sich jemals zu entschuldigen, hat sie auch noch die Dreistigkeit, ihr Opfer öffentlich mit lapidaren Aussagen zu verhöhnen.
Das Beschämende daran: Das Gericht tut es ihr mit diesem Urteil genau gleich! 1200 Franken Busse für ein verlorenes Bein? Für ein Leben, das nie mehr das gleiche sein wird? Das ist nicht nur ein Hohn für Opfer Andrea Kolb, sondern auch ein fatales Signal.
Denn solange Unfälle mit Schwerverletzten, solange Fahrerflucht, solange nicht angetretene Alkohol- und Drogentests, solange Uneinsichtigkeit und Unwille zu Reue mit solchen Kuschelurteilen belohnt werden, so lange wüten Rowdys auf unseren Strassen weiter. Und das ist ein Bild, das sich wirklich keiner ausmalen will.