Ein Stern fährt durch Wienacht AR: «Stardrive Fahrschule» steht um einen riesigen Fünfzack auf der Motorhaube des Hummer H 3, eines 200-PS-Kolosses. Am Steuer sitzt Roger Etter (45) – kraftstrotzend wie sein Fahrzeug. Auch er ist verziert: Tattoos von Hand über Hals bis zum Hintern.
Seit zwei Jahren führt Etter Stardrive und lässt seine Schülerinnen und Schüler täglich bis zu 400 Kilometer durch die Gegend des oberen Bodensees fahren – nicht mit diesem Hummer, sondern mit einem handgeschalteten oder einem Automatik-Audi.
Aber mit Erfolg. «Superlehrer auf vier Rädern», titelte das «St. Galler Tagblatt» im März dieses Jahres. Damals haben ihn seine Schüler zum besten Ostschweizer Fahrlehrer erkoren – der sechstbeste schweizweit. Und das bei 800, die zur Wahl standen. Unkompliziert sei er, geduldig und lustig – das attestieren ihm die meisten, die bei ihm Stunden nehmen.
Nichts da vom grimmigen Rockerimage. Zwar war der ausgebildete Briefträger und frühere LKW-Fahrer um die Jahrtausendwende Sänger einer Rockband, die AC/DC- oder Deep-Purple-Covers zum Besten gab. Doch Etter ist heute ruhiger. Er zeigte den Tierquäler von Hefenhofen an «Ich entspreche nicht meinem Aussehen», sagt er lachend und lenkt den Hummer sanft über die kurvenreiche und verschneite Strasse von der Bahnstation Wienacht-Tobel hinauf in den Dorfkern. Vorbei an seinem 800-Quadratmeter-Grundstück, wo er zusammen mit seiner Partnerin zwei Hängebauchschweine, vier Hunde und zwölf Katzen hält. Er war einer der Beteiligten, die mit ihrer Anzeige bei der Polizei diesen Sommer den Tierquäler von Hefenhofen TG zur Strecke brachten.
Der Hummer fährt in Wienacht vor. Die Fenster der alten Bauernhäuser sind mit Engeln, Kugeln und Sternen geschmückt. Auch Etter greift im Dezember in die Schmuckschatulle und verziert sein Haus. Zu dieser Jahreszeit nimmt er sich jeweils seine maximal ein, zwei Wochen Ferien pro Jahr und geniesst die besinnlichen Momente «daheim in der warmen Stube».
Und er erinnert sich an die Weihnachten in Wittenbach SG, als er noch ein Bub war: Damals musste er mit seinem älteren Bruder vor die Tür; erst wenn die Mutter mit dem Glöcklein läutete, durften sie wieder reingehen – das Christkind habe eben den Baum geschmückt. «Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich das beste Geschenk», sagt Etter. «Ein violettes Velo mit einer Dreigangschaltung.» Später wandte sich seine Liebe vom schmächtigen Zweirad zu starken Vierrädern. Neben dem Hummer nennt er heute einen Chevrolet Corvette und einen Camaro sein Eigen.
In der Armee war er Fahrlehrer für Radschützenpanzer. Zurück im zivilen Leben, hat er im November 2014 die Prüfung zum eidgenössisch diplomierten Fahrlehrer erfolgreich abgeschlossen. Ein Jahr danach gründete er die eigene Fahrschule. Wenn er mit einem seiner Stardrive-Autos durch die Stadt St. Gallen fährt, begegnet er immer mal wieder ehemaligen Fahrschülern. «Das isch denn e huure Winkete», sagt Etter. Kein Zweifel: Der Mann ist beliebt, er ist der gute Engel von Wienacht – nicht zufällig prangt auf seinem Rücken ein eintätowiertes Flügelpaar.