Als erster Kanton startet Graubünden am Freitag mit Corona-Flächentests. Seit Mittwoch haben sich über 9500 Personen für den vorerst auf 18 Gemeinden in Südbünden begrenzten Testmarathon angemeldet (BLICK berichtete). Das ist fast die Hälfte der rund 20'000 Talbewohner.
Den Auftakt zum Schnelltestmarathon machten bereits gestern die 108 Mitglieder des Kantonalparlaments. Resultat: Ein Parlamentsmitglied wurde positiv getestet und in Quarantäne geschickt, wie es auf BLICK-Anfrage heisst. Gut möglich, dass damit ein Superspreader-Event in der Wintersession verhindert wurde.
Menschen stehen bei -15 Grad Schlange
Am Freitagmorgen stehen die Menschen vielerorts Schlange. In St. Moritz trotzen die Menschen gar den frostigen -15 Grad – und warten vor dem Schulhaus Dorf. Auch der Fotograf Giancarlo Cattaneo (71) lässt sich als einer der ersten testen. Er hat Corona mit einem schweren Verlauf bereits überstanden, kämpfte 18 Tage lang im Spital um sein Leben, sagte er im BLICK Interview. Und noch heute leidet er unter den Spätfolgen. Wie sein Test verlief, sehen Sie im Video unten:
An der Schule Bonaduz sind bereits am Donnerstagvormittag Hundert Jugendliche der Oberstufe sowie 50 Lehrpersonen der Schule Bonaduz auf COVID-19 getestet worden, teilt das Gesundheitsamt mit. Eine der getesteten Personen war positiv. Die engeren Kontaktpersonen der positiv getesteten Person wurden ermittelt und informiert.
Falsch-positive Schnelltests in Österreich
Die Erfahrungen aus Österreich zeigen aber, dass positive Befunde nach Schnelltests mit Vorsicht zu geniessen. In der Hauptstadt Wien wurden an den ersten beiden Testtagen 106 Personen mit Schnelltest-Kits von Siemens und Roche positiv auf das Coronavirus getestet.
Die Betroffenen wurden danach auch noch dem PCR-Test unterzogen. Die positive Diagnose konnte nur noch bei 45 Personen bestätigt werden. Oder anders formuliert: Mehr als die Hälfte der vermeintlich Erkrankten war fälschlicherweise positiv!
Virologe: «Das Problem sind die falsch-negativen Tests»
Noch haben die Wiener Behörden die Zahlen nicht vollständig ausgewertet. Es deutet sich aber an, dass die Mehrheit der insgesamt 669 Fälle das Virus gar nicht gehabt haben dürfte.
Der Virologe Andreas Cerny schätzt das Risiko der Massentests im Kanton Graubünden für BLICK ein: Sorgen mache er sich dabei nicht um falsche positive Tests, sondern falsche negative Tests. Mehr dazu im Video:
Bündner Verantwortliche glauben an ihr Personal
Von BLICK mit den Ösi-Ergebnissen konfrontiert, wiegelt der Bündner Führungsstab ab: «Wir sind uns des Problems bewusst. Deswegen wird das eingesetzte medizinische Personal über die gut ausgebaute Spitalinfrastruktur Südbündens rekrutiert und ausgebildet.» Damit dürften benutzerbedingte Fehler «stark reduziert» werden.
Wie gut das gelingen wird, ist ungewiss. Denn: Anders als in Österreich werden in Graubünden die Schnelltest-Resultate nicht nochmals per PCR-Test nachgeprüft. Wer also einen falsch positiven Befund erhält, muss für zehn Tage in Quarantäne. Ebenso wie das nahe Umfeld!
Die Bündner setzen ihrerseits auf Schnelltests des amerikanischen Herstellers Panbio Abbott. Und vertrauen darauf, dass die Angaben zur Genauigkeit (Sensitivität: 91,4 Prozent) stimmen.
Resultate sind mit Vorsicht zu geniessen
Konkret: Wenn alle 20'000 Südbündner zum Flächentest antreten würden, glauben die Behörden, 200 Infizierte zu finden. Davon wären dann rund 40 Personen falsch positiv. «Sie wundern sich allenfalls, dass sie keine Symptome haben. Für die Betroffenen ist das natürlich unangenehm und ärgerlich», so der Führungsstab.
Gleichzeitig sei in diesem Planspiel aber auch zu erwarten, dass sich unter den 20'000 auch 17 Infizierte befinden, die falsch negativ sind. Also Erkrankte, die durch die Schnelltest-Kits nicht erkannt würden. Diese würden dann Corona unwissentlich weiterverbreiten. Die Ergebnisse sind somit mit Vorsicht zu geniessen. Erst recht, wenn sich nicht mindestens die Hälfte der Bevölkerung testen lässt.