Es ist kurz vor Mitternacht. Sarah Schlattinger (21) kommt von einem Weihnachtsessen und ist auf dem Weg vom Bahnhof Gossau SG nach Hause. Plötzlich steht ein etwa 1,80 Meter grosser Mann vor ihr. Er hat ein Messer in der Hand. «Ich war total erschrocken», sagt Schlattinger. «In gebrochenem Deutsch verlangte er Geld und Handy.»
Statt vor Angst zu erstarren, nimmt die Kantischülerin ihren ganzen Mut zusammen: «Ich packte ihn an der Hand, in der er das Messer hielt. Und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht.»
Der Angreifer lässt das Messer fallen. Ob auch er zu Boden geht, weiss die junge Frau nicht – sie flieht. «Ich rannte davon und sah, dass er mir nicht folgte», sagt Sarah. Erst viel später realisiert sie, was ihr widerfahren ist. «Es hätte etwas Schreckliches passieren können.» Schlattinger erstattet Anzeige, die Polizei bestätigt den Vorfall vom 14. November.
Dass sie den Räuber in die Flucht schlagen konnte, verdankt Schlattinger dem Selbstverteidigungstraining bei der Energie- und Kampfkunst Akademie Skema in St. Gallen. «Früher wäre ich einfach dagestanden und hätte nicht gewusst, was ich machen soll», sagt sie. Seit drei Jahren besucht sie die Kampfschule und trainiert zwei- bis dreimal pro Woche für solche Ernstfälle. «Nun ist es tatsächlich passiert. Und ich konnte mich wehren!», sagt sie stolz.
«Sarah hat sich das hart erarbeitet», lobt ihr Lehrer Ali Güldal (35) und fügt hinzu: «Als sie zu uns kam, hatte sie wenig Selbstvertrauen.»
Beinahe-Opfer Sarah möchte anderen Frauen Mut machen: «Man ist solchen Situationen nicht einfach ausgeliefert. Man kann sich wehren.»