Es hätte eines der grössten Tourismusprojekte der Ostschweiz werden sollen: Im März 2016 stellten der Kanton St. Gallen und die Bergbahnen Flumserberg AG Pläne für eine Grossüberbauung in Tannenboden vor, welche die Attraktivität der Region auch im Sommer steigern sollte. Das ambitionierte Ziel: Mit dem Heididorf sollten pro Jahr 200'000 zusätzliche Besucherinnen und Besucher angelockt werden. Wo sich heute der Ganzjahres-Campingplatz befindet, sollte eine Tiefgarage gebaut werden. Auf dem Gebiet des Winter-Campingplatzes war ein «Heidi Alperlebnis» geplant - mit Sicht auf die Churfirsten. Bei der Talstation der Maschgenkammbahn sollte ein Resort mit bis zu 300 Betten entstehen.
Die Bergbahnen Flumserberg AG investierten bereits 31 Millionen Franken in die Infrastruktur. Seit dem Winter 2019 bringt eine neue Gondelbahn Touristen von der Talstation Tannenboden auf den Maschgenkamm. Die 8er-Gondel transportiert rund 2200 Personen pro Stunde auf den Berg.
«Die Schweizer Bergwelt will erobert werden,» sagte die Quartner Gemeinderätin Sarah Tschirky, zuständig für den Tourismus, zum Projekt. Doch noch bevor ein Investor für das 40-Millionen-Projekt gefunden werden konnte, versenkten die Stimmberechtigten die Pläne der Gemeinde. Sie lehnten am vergangenen Sonntag eine Teilzonenplanänderung auf dem Tannenberg ab, welcher neue Nutzungen ermöglicht hätte.
«Das Thema Heidi verfängt bei uns wohl nicht. Die Leute haben das Gefühl, Heidi gehöre nicht hierher, sie gehöre nach Maienfeld», mutmasst Erich Zoller, Gemeindepräsident von Quarten, nach dem Nein gegenüber dem Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF über die Gründe.
Auch die Corona-Krise könnte zur Ablehnung beigetragen haben, meint Zoller. Im vergangenen Frühling und Sommer sei Flumserberg von Touristen überrollt worden. Wildparkierer und Abfallberge hätten bei der Bevölkerung für Unmut gesorgt - und Bedenken, dass der Ausbau wieder unkoordiniert Touristen in die Region bringen würde.
Bund und Kanton wollten die touristische Entwicklung auf dem Tannenboden mit 13 Millionen Franken unterstützen. Die Auszahlung des Darlehens sei an die Bedingung geknüpft worden, dass eine Baubewilligung vorliege, sagt Karin Jung, Leiterin des St. Galler Amtes für Wirtschaft und Arbeit, auf Anfrage von Keystone-SDA. Entsprechend seien noch keine Mittel geflossen.
Auf die Frage, ob Heidi im Kanton St. Gallen nicht zu vermarkten sei, antwortet Jung: «Am vergangenen Sonntag hat die Quartner Stimmbevölkerung die Teilzonenplanänderung auf dem Tannenboden verworfen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.» Es brauche jetzt eine Auslegeordnung. «In der vorliegenden Form dürfte das Projekt jedoch kaum weiterverfolgt werden», so Jung.
In Maienfeld dagegen, wo die Geschichte von Heidi seit 1998 im Heididorf gezeigt wird, boomt das Geschäft mit der heilen Welt. Jährlich besuchen bis zu 150'000 Touristinnen und Touristen das Dorf in der Bündner Herrschaft. In den nächsten Jahren soll das Heididorf für zehn Millionen Franken ausgebaut werden. Zwei Millionen Franken steuert der Kanton Graubünden bei. Die Idee: Das Leben zu Heidis Zeiten so authentisch wie möglich zu zeigen.
Maienfeld inspirierte die Zürcher Dichterin Johanna Spyri zu ihren Romanen über Heidi. 1879 erschien das erste «Heidi»-Buch, das sofort zu einem grossen Erfolg wurde. Die Geschichte des Waisenmädchens wurde inzwischen in über 55 Sprachen übersetzt und dient als Inspirationsquelle für zahlreiche Musicals, Animationen und Filme.
(SDA)