Raff-Zahnarzt füllte seine eigenen Taschen
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Schaffhauser Schulzahnklinik:Raff-Zahnarzt füllte seine eigenen Taschen

PUK-Bericht bringt massive Missstände in Schaffhauser Schulzahnklinik ans Licht
Raff-Zahnarzt füllte seine eigenen Taschen

In einem fast 280 Seiten starken Untersuchungsbericht bringt eine PUK eklatante Missstände in der Schaffhauser Schulzahnklinik ans Tageslicht. Jahrelang wurde die kantonale Institution offenbar nur ungenügend kontrolliert.
Publiziert: 30.06.2020 um 14:59 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2020 um 07:57 Uhr
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Warb Patienten ab: Ahmed F. (45) machte teure Operationen lieber in seiner privaten Praxis als in der vom Kanton finanzierten Schulzahnklinik.
Foto: dpa
Marco Latzer

Die Schulzahnklinik des Kantons Schaffhausens war für Ahmed F.* (45) nicht nur Arbeitsplatz, sondern auch ein Selbstbedienungsladen. Zu diesem Schluss kommt nun eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), welche die illegalen Machenschaften in der kantonalen Institution während rund anderthalb Jahren untersucht hatte.

Demnach hat der syrische Kieferorthopäde in der Schulzahnklinik systematisch Patienten abgeworben. Insbesondere Kinder, die für ihre Behandlung eine Kostengutsprache der IV in der Tasche hatten, behandelte Ahmed F. in seiner Privatpraxis.

Grosses Auftragsvolumen abgezwackt

«Für die Jahre 2009 bis 2018 bewegt sich die maximale Umsatzeinbusse bei IV-Fällen von CHF 590'000 bis CHF 1'310'000», hält der PUK-Bericht fest. F., gegen den auch die Staatsanwaltschaft ermittelt (BLICK berichtete), war der einzige Kieferorthopäde in der Schulzahnklinik, der Abklärungen für die IV vornehmen durfte!

Der PUK-Bericht hält fest: «Es handelte sich dabei um Behandlungen, die ein grosses Honorarvolumen auslösten.» Obwohl es ihm als Kantonsangestellten ausdrücklich verboten war, gaukelte F. den überraschten Eltern vor, in der eigenen Praxis über kürzere Wartezeiten zu verfügen.

Es spiele keine Rolle, wo er die Behandlung letztlich durchführen würde, so sein Hauptargument. Peter Kerschot (51), langjähriger Leiter der Schulzahnklinik, soll die Abwerbungen des Kieferorthopäden toleriert haben. Von ihm hatte Ahmed F. 2012 die in der Kritik stehende Privatpraxis einst übernommen.

Auch darüber hinaus soll es unter der Führung Kerschots in der Schulzahnklinik zu teilweise haarsträubenden Missständen gekommen sein. So wurden an zahlreichen Kindern sogenannte Mybrace-Therapien durchgeführt, obwohl es zu deren Wirksamkeit keine wissenschaftliche Evidenz gibt.

Patientendossiers verändert, Kinder unnötig geröntgt

Beinahe die Hälfte der Behandlungen musste später ohne Erfolg abgebrochen werden. Zudem wurden in diesem Zusammenhang mindestens 74 Patientendossiers abgeändert, ohne dies entsprechend zu vermerken.

Weiter wurden in der Schulzahnklinik zahlreiche Kinder unter sechs Jahren geröntgt, obwohl dafür kein gerechtfertigter Anlass bestand. Obwohl keine Gesundheitsgefährdung bestanden haben soll, ermittelt nun die Justiz wegen der Strahlenbelastung, der die Betroffenen unnötigerweise ausgesetzt wurden.

Happig auch: Jahrelang haben die Zahnärzte in der Schulzahnklinik weniger gearbeitet als sie eigentlich hätten müssen. Wer seine Arbeit speditiv erledigte, verfügte demnach über mehr Freizeit. Alleine von 2016 bis 2018 beläuft sich der Betrag nicht erbrachter Arbeitsleistungen auf 1,1 Millionen Franken.

Regierungsrat schaute nicht genau hin

Harsche Kritik muss sich der zuständige Regierungsrat Christian Amsler (56) von der PUK gefallen lassen. Ihm wird vorgeworfen, den schon länger im Raum stehenden Vorwürfen nicht entschlossen nachgegangen zu sein.

Der ehemalige Bundesratskandidat habe sämtliche «Alarmsignale» ignoriert oder zumindest übersehen. Tatsächlich konnte eine von Amsler lancierte interne Untersuchung keine Missstände feststellen.

*Name geändert

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