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Prozess gegen Horror-Eltern von Jasmina (†1)
Am Todestag des Babys hatten sie noch Sex

Die Rabeneltern Jessica T.* (35) und Hanspeter H.* (55) müssen sich vor dem Kantonsgericht St. Gallen verantworten. Es geht um die Frage, ob sie ihre Tochter zu Tode vernachlässigt haben.
Publiziert: 26.11.2018 um 07:48 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2021 um 09:53 Uhr
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Hanspeter H. beim Verlassen des Kantonsgerichts in St Gallen.
Foto: Blick
Beat Michel und Marco Latzer

Die kleine Jasmina (†1) musste sterben, weil sich ihre kokainsüchtigen Eltern Jessica T.* (35) und Hanspeter H.* (55) nicht um sie kümmerten. Zu diesem Schluss kommt die Anklageschrift im Fall der Rabeneltern aus Staad SG. Sie müssen sich seit Dienstag wegen des Baby-Dramas vor dem Kantonsgericht St. Gallen verantworten.

Der erste Prozesstag beginnt mit der Befragung von Hanspeter H.: Dieser wirkt nervös. Er sagt: «Es geht mir seit drei Jahren nicht gut. Der Tod meiner Tochter belastet mich. Bis heute konnte ich das Ganze nicht verarbeiten. Es war zu viel Stress.» Zwischendurch bricht er in Tränen aus.

«Mir passte nicht, dass sie sich prostituierte»

2014 verlor er seinen Job, was ihn schwer belastete. Über seine Kokainsucht will er nicht reden. Jessica T., die als Prostituierte gearbeitet hatte, lernte er kennen, weil er sie gebucht hatte. «Mir passte nicht, dass sie sich prostituierte.» Schon bald sei Jasmina auf die Welt gekommen – ungeplant.

Jessica T. habe sich um das Kind gekümmert, er habe das Geld nach Hause gebracht. «Das gefiel mir nicht.» Seiner Darstellung zufolge wollte Hanspeter H. bei der Betreuung des Kindes mitreden. Doch er sei nicht ernst genommen worden. Allerdings habe er nie das Gefühl gehabt, dass Jessica es nicht im Griff hatte. Dass sie die ganze Zeit Koks konsumierte, habe er nicht gewusst.

Der Richter sagt: «Jasmina müffelte, das Zimmer stank furchtbar.» Hanspeter H. streitet alles ab. Er will nicht bemerkt haben, dass es Jasmina schlecht ging. «Ich sah nichts. Es ging ihr gut.» Er habe sich auf die Mutter verlassen.

«Ich stieg aus, bevor Jasmina zur Welt kam»

Am Nachmittag befragt das Gericht Jessica T.: Auch sie gibt an, unter dem Tod ihrer Tochter zu leiden. «Es geht mir nicht besonders gut», sagt sie. Sie ist in der DDR aufgewachsen, arbeitete als Prostituierte. Das Sex-Business habe ihr immer weniger gut gefallen. Zu viele hätten Sex ohne Gummi gewollt.

Hanspeter H. habe sie als Kunde kennengelernt. Daraus sei Liebe entstanden. Jessica T. sagt: «Ich hörte mit allem auf, als Hanspeter das nicht mehr wollte. Ich stieg aus, noch bevor Jasmina zur Welt kam.»

Der Gerichtspräsident will wissen, was sie denn zu Hause so alles machte während Hanspeter H. zur Arbeit ging. Sie habe nicht den Haushalt gemacht, gibt Jessica T. zu. Sie habe sich meistens noch einmal hingelegt, bis Jasmina so um acht Uhr aufgewacht sei. Dann habe sie mit ihr gegessen und sei bei schönem Wetter mit ihr raus gegangen. Manchmal habe sie Hanspeter zusammen mit Jasmina von der Arbeit abgeholt.

«Ich koche gerne, aber ich bin kein Haushaltsmensch. Das stimmt», sagt Jessica T. Aber dass sie die Tochter nicht richtig versorgt habe, sei erstunken und erlogen. Hanspeter H. leide an krankhaftem Putzwahn. Darum habe er sie als «faule Sau» bezeichnet.

Widersprüchliche Aussagen

Am 25. Juni 2015 habe sie die Tochter zum letzten Mal lebend gesehen. Am 26. Juni habe sie die Leiche gefunden. Das habe sie durch die Trauma-Therapie erarbeitet. Während der Befragung gab Jessica T. noch an, sie habe das tote Baby am 3. Juli gefunden. Weshalb Jasmina gestorben sei, wisse sie nicht.

Warum informierte sie niemanden über den Tod der Tochter? «Ich hatte Angst, alles zu verlieren. Ich liebte Hanspeter noch. Ich hatte Angst, ihn zu verlieren. Ich hatte Angst vor der Kesb.»

Jessica T. erzählt, wie sie die Leiche ihrer Tochter verschwinden liess: «Ich holte einen grossen Koffer und legte Jasmina rein, brachte sie in den Keller.» Im Keller habe sie Jasmina wieder aus dem Koffer genommen. Jessica T.: «Ich zog sie warm an.» Dann habe sie die Baby-Leiche wieder in den Koffer gelegt.

Als Jessica T. im Gerichtsaal die Tränen kommen, sagt der Richter: «Es ist auch langsam Zeit zu trauern.» Der Gefühlsausbruch der Angeklagten lässt ihn kalt. Eine Richterin doppelt nach: Am 26. Juni habe sie noch Sex mit Hanspeter H. gehabt. Am Todestag der Tochter. «Da war nicht viel mit trauern, nicht wahr?» Jessica T. bleibt die Sprache im Hals stecken. Sie beantwortet die Frage nicht.

Der Fall

Rückblende: Am 4. August 2015 stellen Beamte der Kantonspolizei St. Gallen das Haus von T. und H. auf den Kopf. Alarmiert durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) suchen sie nach Jasmina.

Der Fund schockt selbst erfahrene Polizisten. Sie entdecken Jasmina im Keller der Liegenschaft. Das Mädchen liegt kopfüber in einem Rollkoffer. Herzlos versteckt hinter einer Kartoffelkiste! Grausig: Der von Maden befallene Leichnam ist bis zur Unkenntlichkeit verwest.

Laut der Staatsanwaltschaft waren H. und T. über Jahre exzessiv drogenabhängig. Auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt unterbrach Jessica T. den Konsum offenbar nicht. Laut Anklage mangelte es dem Baby an sozialen Kontakten und Bewegung. Oftmals lag es alleine im Dachzimmer.

Der einsame Tod soll an einem Hitzetag mit Aussentemperaturen von 33 Grad eingetreten sein. Genau einen Monat vor dem schockierenden Fund der kleinen Leiche im Koffer!

Jessica T. sei mit Hanspeter H. wegen eines Vorstellungsgesprächs stundenlang weg gewesen. Jasmina lag derweil alleine in ihrem Bettchen. «Nach dem Ausschlussverfahren muss davon ausgegangen werden, dass Jasmina verdurstet, verhungert oder vergessen gegangen ist», heisst es in der Anklage.

Lange Haftstrafen gefordert

Dem Rabeneltern werden vorsätzliche Tötung, Störung der Totenruhe, Verletzung von Aufsichts- und Erziehungspflichten sowie Drogenkonsum vorgeworfen. Für Jessica T. fordert die Anklage eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren, Hanspeter H. soll für acht Jahre einsitzen.

* Namen der Redaktion bekannt

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