Kurz nach 11.30 Uhr rücken jede Menge Einsatzkräfte zum Flughafen Altenrhein SG aus. Eine Piper PA-34-200T Seneca II wird vermisst! Trotz dichtem Nebel setzte der Pilot zur Landung an. Doch plötzlich verschwand das Klein-Flugzeug bei Staad SG vom Radar. Eine gross angelegte Suchaktion beginnt.
Schnell werden die Einsatzkräfte fündig. Die Maschine ist knapp 800 Meter vom Ufer entfernt ins Wasser gestürzt. Mit einem Fischerboot fahren die Feuerwehrleute hinaus und können den Piloten aus dem Wasser ziehen. Unterkühlt, aber ansprechbar.
Alle anderen Piloten hatten Landungen abgesagt
BLICK-Recherchen zeigen: Beim Bruchpiloten handelt es sich um Hans L.* (70). Der Deutsche, der im Tessin lebt, war um 10.49 Uhr mit seinem Flugzeug in Locarno TI gestartet. Zu der Zeit lag bereits dichter Nebel über dem Bodensee.
Die Bedingungen für Lande- und Startmanöver waren an dem Vormittag nicht optimal. «Wir hatten zahlreiche Flüge, die für den Vormittag geplant waren. Die wurden aber abgesagt», sagt Flughafen-Chef Thomas Krutzler zu BLICK. Der Deutsche sei der einzige Pilot gewesen, der sich dazu entschied, zur Landung anzusetzen.
«Eine solche Landung gehört zu den schwierigsten Manövern»
Ein riskantes Manöver, wie der Aviatik-Experte Hansjörg Egger erklärt. «Die Höhe über Wasser richtig einzuschätzen, ist schon ohne Nebel sehr schwierig. Es ist praktisch unmöglich, zu sagen, wie viele Meter sich das Flugzeug über dem Wasser befindet, wenn man im Cockpit sitzt.» Komme dann noch Nebel dazu, könne es schnell gefährlich werden. Egger: «Eine solche Landung gehört zu den schwierigsten Manövern. Selbst erfahrene Flieger haben da Orientierungsprobleme.» Nicht nur beim Sicht-, sondern auch beim Instrumentenflug sei eine solche Landung kompliziert.
Allerdings stehe nicht nur der Pilot allein in der Verantwortung, sondern auch der Flugplatz. «Der Tower muss den Anflug genehmigen. Eine solche Erlaubnis nennt sich Clearance for Landing. Ohne die darf nicht gelandet werden», so Egger. Wie es genau zu dem Absturz kommen konnte, untersucht nun Bundesanwaltschaft mit Unterstützung von Fedpol. Parallel dazu führt die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) eine Untersuchung.
Wegen Hans L. rückte die Schweizer Luftwaffe aus
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Sust mit Hans L. beschäftigt. Am 2. März 2006 sorgte der damals 55-Jährige für den Einsatz der Schweizer Luftwaffe. Damals flog der Deutsche, offenbar mit der gleichen Maschine wie beim jetzigen Absturz, von Egelsbach bei Frankfurt a. M. (D) nach Lugano. Doch auf dem Flug fiel der Strom aus. Funk und Instrumente waren tot. Hans L. war nicht zu erreichen und flog nur auf Sicht.
Als der Deutsche die Schweizer Grenze passierte und per Funk nicht antwortete, machte ein Fluglotse bei Skyguide in Dübendorf ZH Meldung über das Geisterflugzeug. Die Luftwaffe wurde informiert. Zwei Tiger-F5-Kampfjets rückten aus und eskortierten das Kleinflugzeug.
Der technische Zustand des Flugzeugs war mangelhaft
Doch davon bekam der Deutsche nichts mit, weil seine Scheiben völlig vereist waren – und er die Kampfjets gar nicht sah. Weil der Sprit der Tiger zur Neige ging, übernahmen zwei F/A-18 die Eskorte über den Gotthard. «Erst über dem Lago Maggiore sichtete der Pilot der HB-LOG die Kampfflugzeuge zum ersten Mal, konnte sich allerdings das Verhalten dieser Flugzeuge nicht erklären und landete, ohne diese weiter zu beachten, in Locarno», heisst es im Schlussbericht der Sust.
Dass es überhaupt so weit gekommen war, lag an Hans L. selbst. Laut der Sust war der technische Zustand des Flugzeugs mangelhaft. «Mehrere Bestätigungen für Wartungsarbeiten fehlten in den technischen Unterlagen. Die anwendbaren Zeittoleranzen für auszuführende Wartungsarbeiten sowie für die minimalen jährlichen Unterhaltsarbeiten wurden überschritten.»
Ob sich das über die Jahre geändert hat, wird sich zeigen. Die Sust muss sich jetzt erneut mit Hans L. beschäftigen.
Bergung dürfte längere Zeit beanspruchen
Für die Abklärungen zur Bergung des Flugzeugs wurden Polizeitaucher aufgeboten. Das Wrack dürfte laut Angaben der Kantonspolizei St. Gallen in 87 Metern Tiefe auf dem Seegrund liegen.
«Diese Tiefe erschwert natürlich die Bergung», sagt Kantonspolizei-Sprecher Florian Schneider. Bis jetzt habe noch niemand das Wrack auf dem Seegrund gesichtet. Die Bergung könnte daher noch einige Zeit beanspruchen.
* Name geändert