Bern: Beissende Hunde können getötet werden.
2:48
Richtig reagieren:So schützt du dich vor aggressiven Hunden

Nach Attacke auf 14-Jährige in Altenrhein SG
Wird Rottweiler Eik (3) nun eingeschläfert?

Was mit dem Rottweiler-Rüden passiert, der vor eineinhalb Wochen einem 14-jährigen Mädchen den Arm zerfetzte, wird das Veterinäramt beider Appenzell entscheiden müssen. Die Polizei hielt nach der Beiss-Attacke eine Sofortmassnahme nicht für nötig.
Publiziert: 15.06.2020 um 19:20 Uhr
|
Aktualisiert: 15.06.2020 um 23:33 Uhr
1/10
Rottweiler Eik (3) biss die 14-jährige Mirjam, als sie ihn an der Leine führte.
Foto: zvg
Céline Trachsel

Nach der Beiss-Attacke von Eik (3) in Altenrhein SG befürchtet der Hundehalter, dass sein Tier eingeschläfert wird. Der Rottweiler hatte der 14-jährigen Mirjam* den Arm zerfetzt. Das Mädchen ging alleine mit dem Hund spazieren – und wurde über 20 Minuten lang von Eik attackiert. Das Ergebnis: Tiefe Fleischwunden und neun Tage Spitalaufenthalt.

Wie die Kantonspolizei St. Gallen mitteilt, war der Hund beim Eintreffen der Polizei nicht mehr aufgebracht. «Deshalb wurden keine sofortigen Massnahmen eingeleitet», sagt Polizeisprecher Florian Schneider. Doch die Kantonspolizei meldete den Vorfall der Staatsanwaltschaft. Das Veterinäramt kann dann Massnahmen einleiten. Hätte sich der Hund vor Ort aggressiv und beisswütig gezeigt oder wäre der Hund gar auf die Polizisten losgegangen, wäre es laut Schneider möglich gewesen, ihn sofort mitzunehmen. Das war aber nicht der Fall.

Wie BLICK weiss, muss sich nun das Veterinäramt beider Appenzell mit Eik beschäftigen. Wird es Massnahmen geben für Tier und Halter? Kantonstierarzt Sascha Quaile darf dies aufgrund des Amtsgeheimnisses nicht kommunizieren. Er bestätigt aber, vom Vorfall Kenntnis zu haben und die erforderlichen Massnahmen zu prüfen.

«Das Tier hat schlimm zugebissen»

Der Kantonstierarzt spricht deshalb nur von einem generellen Vorgehen in einem solchen Fall. «Wenn wir eine Bissmeldung erhalten, machen wir uns zuerst ein eigenes Bild über den Vorfall. Wir sammeln Informationen über die Situation, den Hund, das Opfer und erhalten manchmal Fotos vom Arzt. Wir fragen uns, was ist auf Seite des Hundes und auf Seite des Halters vorgefallen.»

In der Regel geht das Veterinäramt auch vor Ort, um sich das Tier anzusehen. «Wir schauen, ob es ein auffälliges Verhalten zeigt, ob es Grundgehorsam hat, gut versorgt wird, ob der Halter geeignet ist und vieles mehr.» Die Massnahmen reichen dann von einer Verwarnung, Leinen- oder Maulkorbzwang über die Pflicht, einen Kurs zu absolvieren, bis hin zu Beschlagnahmen und Fremdplatzieren oder sogar Euthanasieren des Hundes.

Sascha Quaile: «Fakt ist: In diesem Fall hat das Tier schlimm zugebissen.»

«Eher ein grobes Spiel»

BLICK versucht, das Verhalten des Hundes zu erklären. Denn laut dem Opfer passierte die Attacke aus dem Nichts.

Walter Horn, Präsident des Schweizerischen Rottweilerhunde-Clubs, sagt zu BLICK, dass er nicht an einen ernsthaften Angriff des Rüden glaube. Er nennt es eher ein grobes Spiel eines Hundes, der in der Pubertät stecke – und keine Attacke. «Wenn ein solcher Hund ernsthaft angreift, dann dauert das eine halbe Minute – und danach hätte man für das Mädchen die Rega rufen müssen.»

Den Fall selber kennt er nicht. Doch Horn meint: «Der Charakter des Rottweilerhundes wird in der Presse oft negativ dargestellt. Wie die Wissenschaft beweist, ist das vollkommen falsch.» Eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit 13'000 Hunden habe gezeigt, dass es keine «rassenspezifische Aggressivität» gibt. Sicher ist für Horn: «Wir brauchen wesensstarke und ausgeglichene Hunde mit hoher Reizschwelle. Das gilt nicht nur für Rottweilerhunde, sondern für alle Rassen.»

Spirale der Gewalt

Dieser Meinung ist auch Tierpsychologin Manuela Albrecht aus Wittenbach SG. «Der Rottweiler ist leider stigmatisiert – er gilt als gefährlicher Kampfhund. Schade, aber sein Beschädigungspotential ist halt massiv grösser als das eines Dalmatiners oder Chihuahuas.»

Bezüglich der Attacke glaubt sie aber an einen ernsthaften Angriff des Rottweilers. «Wird Eik von seinem Halter wirklich mit aversiven Mitteln ausgebildet, darf er den Hund nicht aus den Händen geben, erst recht nicht einem Kind. Dann beruht die ‹gute Beziehung› auf Angst vor der folgenden Bestrafung. Das Mädchen nahm der Hund dagegen nicht ernst.» Albrecht distanziert sich von jeglicher Art der harten Erziehungsmethoden.

Die Tierpsychologin glaubt, dass der Hund Mirjam vielleicht massregeln wollte und aufgrund der Körpergrösse des Kindes auch konnte – weil er sie nicht als eine Hundeführerin ansah. «Vielleicht kennt Eik den sogenannten Leinenruck als Erziehungsmethode. Da brauchte das Mädchen den Hund nur hinter einem Hindernis hervorzuziehen und das schlechte Gefühl war für den Hund wieder da. Und diesmal hat der Hund nicht mit Eingeschüchtertsein reagiert.»

Dass die Attacke so lange dauerte, erklärt sich Manuela Albrecht damit, dass sich der Hund in etwas reingesteigert hat. «Das Mädchen hat sicher aus Angst geschrien und sich körperlich gewehrt – was den Hund immer wieder angreifen liess. So kam es wohl zu einer Spirale.» Ihrer Meinung nach müsste man mit Eik (3) mit Geduld, Herz, Verstand und Konsequenz arbeiten und unbedingt von aversiven Methoden absehen. «Ich hoffe einfach, dass sich jemand die Zeit nimmt und das wagt – und dass er nicht eingeschläfert wird. Viele auffällige Hunde haben nach einem geglückten Training den Wesenstest bestanden und sind heute ganz normale Hunde.»

Ist Eik durch Schläge traumatisiert?

Laut der Mutter von Mirjam werde Eik geschlagen. Der Hundehalter dementierte das gegenüber BLICK vehement. Es steht Aussage gegen Aussage.

Tierpsychologin Manuela Albrecht meint: «Wenn der Hund tatsächlich geschlagen wird, kann es schon sein, dass er ein Trauma hat und irgendwas, was das Mädchen tat, diese Attacke auslöste.» Eventuell habe der Hund auch den Ort mit einem negativen Erlebnis verknüpft. «Vielleicht wurde er genau dort früher einmal grob korrigiert. Mit aversiven Erziehungsmethoden kann man innert kürzester Zeit aus jedem noch so lieben oder kleinen Hund einen aggressiven Hund machen, das geht ganz schnell».

Die Tierpsychologin will dem Mädchen aber keinesfalls die Schuld am Vorfall geben. «Man hätte sie nicht alleine mit diesem Rottweiler spazieren lassen dürfen – schon gar nicht, wenn die Mutter von der groben Erziehung des Hundes zu wissen glaubte.»

Albrecht ergänzt: «Es geht hier aber nicht um Schuldzuweisung. Es geht darum, dass solche Vorfälle nicht mehr passieren.»

*Name geändert

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?