In diesem Jahr wird kein Literaturnobelpreis verliehen. Nachdem die schwedische Akademie wegen mehrerer Fälle von sexuellem Missbrauch durch den Mann eines ihrer Mitglieder monatelang in den Schlagzeilen war, zog sie am Freitag die Notbremse. Nächstes Jahr will die Nobelpreisakademie dafür zwei Preisträger küren. Was bedeutet das für Marianne Sax (54), die in Frauenfeld eine kleine Buchhandlung führt?
SonntagsBlick: Frau Sax, dieses Jahr wird es keinen Literaturnobelpreis geben. Wie schlimm ist das für Sie?
Marianne Sax: Nicht ganz so schlimm. Das ist etwa so, wie wenn Bob Dylan den Literaturnobelpreis gewinnen würde …
… das hat er ja bereits, 2016. «Für seine poetischen Neuschöpfungen in der amerikanischen Songtradition», wie es damals in der Begründung hiess.
Für uns Buchhändler war das, rein vom Geschäft her gesehen, eine schlechte Wahl. Denn es gab fast keine Bücher von ihm im Handel. Einen entsprechenden Facebook-Post, in dem ich mich enttäuscht zeigte, musste ich dann schnell wieder löschen (lacht).
Warum?
Weil ich dafür einen Shitstorm erntete. Ist ja klar: Für Kulturinteressierte ist Bob Dylan eine Ikone, jemand, der den Preis absolut verdient hat. Nur für Buchhändler und Buchhändlerinnen war es eben nicht so toll. Damals gab es im Handel nur ein Dylan-Taschenbuch. Mit Texten von ihm und einer Collage von Interviewausschnitten.
War denn der letzte Preisträger, Kazuo Ishiguro, besser fürs Geschäft?
Viel besser! Er ist ein populärer Autor. Man muss aber auch wahnsinnig schnell sein, die Bekanntgabe des Preisträgers live verfolgen und dann sofort bestellen, damit man seine oder ihre Bücher im Laden hat.
Also eine Art Wettbewerb unter Buchhändlern, wer am schnellsten bestellen kann?
Ja. Ich habe die Ankündigung auf Schwedisch mitgehört und nur «Ishiguro» verstanden. Sofort bestellte mein Sohn beim Lieferanten seine lieferbaren Titel – die waren schon ausverkauft. Wir mussten dann ein paar Tage warten, bis der Verlag die Titel nachgedruckt hatte.
Welches war Ihr Lieblingspreisträger?
Fürs Geschäft ist es natürlich am besten, wenn der aktuelle Preisträger gleich noch ein neues Buch am Start hat. So wie bei Herta Müller 2009: Sie hatte damals gerade ihren Roman «Atemschaukel» herausgebracht. Das Buch lief dann natürlich toll – auch bei uns.