Genüsslich schreitet Ernst Tinner (64) zur Tat. Als in Sevelen SG der Feierabendverkehr einsetzt, rollt der Anwohner auf der dicht befahrenen Bahnhofstrasse seinen eigenen Zebrastreifen aus. Ein über vier Meter langer, gelb-schwarzer Wollestreifen!
«Den hat mir meine Freundin zusammen mit ihren Kolleginnen gelismet und auf den Geburtstag geschenkt. Weil ich mich schon lange daran störe, dass man hier zu Stosszeiten kaum mehr über die Strasse kommt», erklärt Tinner.
Kein Durchkommen in der Rush-Hour
Die Aktion ist zwar scherzhaft gemeint, hat aber einen ernsten Hintergrund: Die dicht befahrene Kantonsstrasse vom Dorfzentrum Richtung Fürstentum Liechtenstein raubt den Bewohnern mehrerer Häuser und den Besuchern der nahen Stübli-Beiz den letzten Nerv.
«Es gibt zwar einen Zebrastreifen rund 150 Meter von hier. Doch den erreicht man nicht, da das Trottoir zuvor endet», sagt Wirt Xaver Bruhin (56). Einfach mal die Strassenseite wechseln, das liege kaum drin.
«Wer die Strasse überqueren will, muss bis zu zehn Minuten warten. Abends fahren die Autos dicht hintereinander», schiebt Wollstreifenbesitzer Tinner nach. Rentner Alfred Hofmänner (80) pflichtet ihm bei: «Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt. Es hat aber einfach nie jemand den Mund aufgebracht und lautstark reklamiert.»
Gemeinde Sevelen ortet Handlungsbedarf
Die Situation habe sich wegen des zunehmenden Verkehrs zuletzt stetig verschärft. Weil jetzt auch noch 16 neue Wohnungen am Entstehen seien, bestünde erst recht Handlungsbedarf.
Der gestrickte Zebrastreifen sei nun einfach ein erstes Zeichen des Unmuts. Und eine richtige Büez! «Wir haben zusammengerechnet 40 Arbeitsstunden in dieses Projekt investiert», erklärt Lismerin Carin Deplazes (57).
Vergebens dürfte die Mühe nicht gewesen sein: «Keine Diskussion, da muss etwas gemacht werden», sagt nämlich auch Gemeindepräsident Roland Ledergerber zu BLICK. Die Planung zusammen mit dem Kanton St. Gallen laufe bereits.
Kommt als Nächstes der Spraystreifen?
Denkbar sei ein neuer Fussgängerstreifen, aber auch die Verlängerung des nun deutlich zu früh endenden Trottoirs. Realistische Frist bis zu einer Lösung: drei Jahre. «Versprechen lässt sich aber nichts», so Ledergerber.
Falls es zu lange dauern sollte, haben die kecken Anwohner wiederum einen kreativen Lösungsansatz in der Hinterhand. «Wer weiss, vielleicht schreiten wir ja eines Tages mit einer Spraydose zur Tat», flachst Ernst Tinner.