Kamal Alavi (62) wollte Handy-Antennen durch Luftschiffe im All ersetzen
Der tiefe Fall des Zeppelin-Fürsten

Kamal Alavi (62) wollte die Schweiz von Handy-Antennen befreien – dank revolutionärer Luftschiffe. Inzwischen ist klar: Diese Fluggeräte sind reine Luftschlösser.
Publiziert: 26.04.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:29 Uhr
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Kamal Alavi mit einem Modell eines Zeppelins – ein richtiges Luftschiff hat er nie gebaut.
Foto: AFP/Getty Images
Von Niklaus Wächter

Ende März war im Sarner Gerichtsgebäude ein Verhandlungstermin anberaumt. Es ging um den Konkurs der Swiss Space Sensors Technology AG in Kägiswil OW. Angestrengt wurde das Verfahren von einem ehemaligen Angestellten der Firma. Er wartete seit Juli 2013 auf mehrere Monatslöhne, insgesamt 19 000 Franken. Einer von sechs ehemaligen oder noch aktiven Mitarbeitern, die auf dem Betreibungsregister über das Unternehmen figurieren. Zwei Tage vor der Verhandlung erhielt der Ex-Mitarbeiter sein Geld, die Verhandlung wurde abgesagt. Aber bereits ist die nächste Konkursverhandlung angesetzt. Wiederum initiiert von einem Ex-Angestellten mit offenen Lohnforderungen. Diesmal geht es um 25 000 Franken. Auch hier  wird wohl kurz vor der Verhandlung die Schuld beglichen. Es ist der klassische Geschäftsstil des iranischen Erfinders Kamal Alavi (62).

Als iranischer Staatsangestellter verhandelte er in den 80er-Jahren  – mitten im Golfkrieg – mit den Pilatuswerken über den Kauf von 35 PC7. Später kam er als mittelloser Immigrant in die Schweiz und erwirtschaftet nach eigenen Angaben mit Telekom-Geschäften und Elektro-Recycling Millionen.

Dann wandte er sich einem beispiellosen Projekt zu. Schlagzeilen machte dieses zum Beispiel im Juni 2006. Das TV-Magazin «10 vor 10» feierte ihn damals enthusiastisch als genialen Tausendsassa. Alavi fuhr im BMW-Sportflitzer vor und verkündete das Aus für alle Handy-Antennen in der Schweiz. Künftig sollten seine geostationären Luftschiffe als Plattformen für solche Antennen dienen. Der Iraner verstand es, das Projekt seiner Firma Stratxx als echte Schweizer Pionierleistung darzustellen. Die Technologiewelt war begeistert. Die Ruag, die ETH, die Empa – alle beeilten sich, seine Partner zu werden. Sie entwickelten für Alavi weltraumtaugliche Hightech-Komponenten. Und mussten in der Folge auf dem Rechtsweg um ihre Honorare kämpfen. Schon damals bezahlte dieser nach dem immer gleichen Muster: Unmittelbar vor einer Verurteilung oder einem Konkurs. Inzwischen ist die Euphorie gründlich aus­geklungen – ausser Spesen nix gewesen.

Roland Siegwart, Professor für autonome mobile Roboter an der ETH Zürich, erinnert sich: «Kamal Alavi hatte mit Stratxx anfangs eine grosse Begeisterung ausgelöst. Seine Leistungen als Visionär waren bemerkenswert.» Als Geschäftspartner und Auftraggeber habe Alavi ihn und viele seiner Kollegen aber «sehr enttäuscht», und durch seine «unseriösen Geschäftspraktiken einen Scherbenhaufen und viele Frustrationen hinterlassen».

Thomas Jodar, Leiter des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums Obwalden und Nidwalden (RAV) berichtet: «Zwischen November 2009 und November 2012 haben wir der Firma Stratxx insgesamt 38 Arbeitssuchende zugewiesen. Als sich die Fälle häuften, in denen Stratxx-Angestellte uns über ausstehende Löhne berichteten, haben wir damit aufgehört.»

Im Jahr 2008 war die Stratxx aus der leeren Lego-Fabrik in Willisau LU mit ihren 14 Mitarbeitern in das alte Zeughaus in Kägiswil OW gezogen. Seither basteln dort in der alten Holzbaracke Ingenieure, Techniker und Hilfskräfte an Gerätschaften, über die niemand etwas wissen darf. Die Geheimhaltung geht so weit, dass Alavi sogar die Arbeitsplätze mit Kameras überwachen lässt.

Anfang 2014 schrammte Alavi knapp am unternehmerischen Ende vorbei. Die offenen Forderungen von Mitarbeitern, Dienstleistern, Sozialwerken, Versicherungen und Amtsstellen wuchsen zu einem solchen Schuldenberg an, dass die erst drei Jahre zuvor gegründete Stratxx near Space Technology AG in die Pleite ging – trotz heftiger Gegenwehr von Alawi bis vor Bundesgericht. Zuvor aber liess der geschäftstüchtige Iraner alle Vermögens- und Sachwerte samt Personal in seine ebenfalls erst drei Jahre zuvor gegründete Swiss Space Sensors Technology AG transferieren.

Nachdem die unbezahlten Mitarbeiter herausbekommen haben, dass Alavi auf Konkursandrohungen mit Bezahlung in letzter Minute zu reagieren pflegt, droht nun auch der Swiss Space Sensors Technology AG immer wieder der Konkurs.

Vom einst bejubelten Weltraumprojekt sind vor allem Schulden, resignierte Lieferanten und ratlose Amtsstellen geblieben – aus der Traum von einer Produktionswerkstatt mit 600 Angestellten. Und auch die Handy-Antennen sind noch da.

Derzeit suchen Alavis letzte Getreuen nach neuen Jobs. Bis heute wurde in der Holzbaracke in Kägiswil kein einziges Weltraum-Luftschiff produziert. Immerhin konnte Alavi seinem Heimatland Iran – wo er sich die meiste Zeit aufhält – insgesamt fünf Fessel­ballone verkaufen, als festgezurrte Handy-Antennen.

Und was meint Alavi selbst zu seinen geplatzten Träumen? Er wollte gegenüber SonntagsBlick nicht Stellung nehmen – trotz mehrfacher Anfragen.

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