Ein skurriler Fall von «Selbstjustiz» wird diese Woche vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen TG verhandelt. Ein 45-jähriger Bewohner des Dorfes Wäldi im Thurgau wird beschuldigt, eine Zeitschaltuhr am Kirchturm angebracht zu haben, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet.
Es passierte zwischen September 2014 und Dezember 2015. Zur Verwunderung der Kirchgemeinde fiel plötzlich das morgendliche Glockengeläut aus. Mehrmals engagierte man einen Turmtechniker, um den Übeltäter zu finden – lange vergebens.
Stromzufuhr zur Glocke unterbrochen
Nach monatelanger Stille am Morgen entdeckte man im Juli 2016 im Dachgebälk eine versteckte Zeitschaltuhr, die die Stromzufuhr zum Schlagwerk der Glocke jeweils um sechs Uhr morgens unterbrach.
Unter Verdacht stand ein 45-jähriger deutscher Familienvater und Kirchennachbar, der sich schon mehrmals über das Morgengeläut beschwert hatte und den Zugang zum Kirchturm kannte. Während der Untersuchungen wurden Spuren seiner DNA auf der Zeitschaltuhr gefunden – der Verdächtige wurde angezeigt.
Kirche fordert 13'600 Stutz Schadensersatz
Vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen leugnete der Beschuldigte schliesslich, die Glocken zum Schweigen gebracht zu haben. Das Läuten habe ihn und seine Familie zwar schon sehr gestört und beeinträchtigt, doch die Zeitschaltuhr habe er nicht befestigt, sagte der 45-Jährige vor Gericht.
Die Staatsanwaltschaft hielt dagegen: «Er hatte ein Motiv, das Know-how und seine DNA war am Tatort», wird sie vom Tagblatt zitiert. Die Kirchgemeinde tritt als Zivilkläger auf und fordert Schadensersatz und Genugtuung im Wert von 13'600 Franken. Der Anwalt des Beschuldigten fordert einen Freispruch.
Die Entscheidung steht noch aus – die Gerichtspräsidentin ermunterte Kirchgemeinde und Verdächtigen, sich doch aussergerichtlich zu einigen. «Damit die Kirche im Dorf bleibt», wie sie treffend formulierte. (hah)