Geldstrafe statt Knast
Der Mühsam-Muslim muss nicht ins Gefängnis

Emir Tahirovic (40) will unter anderem seine 14-Jährige Tochter nicht in den Schwimm-Unterricht schicken. Heute stand er vor Gericht. Er muss hundert Tagessätze à 30 Franken und eine Busse von 1000 bezahlen.
Publiziert: 29.06.2016 um 10:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:45 Uhr
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Foto: TOINI LINDROOS
Marlene Kovacs

Vier Monate Knast hatten Emir Tahirovic (40) gedroht. Heute stand er in Altstätten SG vor Gericht. Das Urteil: Eine Geldstrafe und kein Knast! Er muss hundert Tagessätze à 30 Franken und eine Busse von 1000 bezahlen. Der Richter sprach den Bosnier der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, der Widerhandlung gegen das kantonale Volksschulgesetz und des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen schuldig.

Tahirovic hatte sich schweizweit einen Namen als bockiger Moslem gemacht. Der Bosnier aus St. Margrethen zeigt sich schon lange stur gegenüber den Behörden. Er verweigerte unter anderem seiner heute 14-jährigen Tochter den Schwimmunterricht, einer anderen Tochter das Skilager und seinem Sohn ein Singspiel.

All das aus religiösen Gründen. Sogar die Schreibweise des Buchstabens «t» stört den vierfachen Vater. Es erinnere ihn an ein Kreuz.

Tahirovic musste heute vor Gericht zu seinen Lebensbedingungen Stellung nehmen. Der gelernte Chauffeur ist seit längerer Zeit arbeitslos. «Ich fühle mich diskriminiert. Ich habe schon über hundert Mal beworben.» Er habe mittlerweile 300'000 Franken Schulden beim Sozialamt.

Ob er Pläne für die Zukunft hat? «Es würde mich nicht stören, nach Bosnien zu müssen.» Er will aber nicht einfach abreisen. «Ich möchte den Kampf für meine Rechte in der Schweiz zu Ende bringen.»

Der Richter hat ihm seine rechtliche Grundlage erläutert. Das sei ihm zuvor aber alles schon einmal erklärt worden. Wieso er seinen Kindern weiterhin den Schwimmunterricht verbiete? «Ich wäre ein Ungläubiger, wenn ich das erlauben würde.» Juden und Christen hätten auch getrennte Klassen. Er wolle nicht, dass man seine Kinder zwingt, sich auszuziehen.

Falls das Gericht heute entscheidet, dass er seine Strafe bezahlen muss, weiss Tahirovic noch nicht ob er bezahlen kann. «Es kann sein, dass ich das Geld habe.» Ansonsten geht er ins Gefängnis. Da war er bereits schon mal 35 Tage, weil er Gerichtskosten nicht bezahlen konnte.

Bereits 2015 stand der Bosnier vor dem Kreisgericht Rheintal wegen den gleichen Punkten. Damals wurde er und seine Frau verurteilt.

Staatsanwältin forderte Strafe ein

Tahirovic wirkte im Gerichtssaal äussert ruhig – fast etwas zurückhaltend. Im Saal war auch eine ganze Schulklasse anwesend.

Für die Staatsanwältin war klar: Sie forderte vier Monate Haft und 1000 Franken Busse. «Von Ausländern muss und kann erwartet werden, dass sie die Rechte der Schweiz zu bewahren hat und die hiesigen Gegebenheiten akzeptieren. Die Schule muss eine Grundbildung vermitteln. Der Sportunterricht ist wichtig für die Sozialisierung der Schüler.»

Der Verteidiger Federico Pedrazzini verlangte jedoch einen Freispruch für Tahirovic von der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht.

Er will seine Strafe nicht akzeptieren

Das Untersuchungsamt Altstätten hatte ihn bereits zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt. Grund: Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht sowie Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen.

Doch der Mühsam-Muslim reichte Einsprache gegen den Strafbefehl ein. 

«Das Verschulden des Beschuldigten wiegt schwer», hiess es in der Anklageschrift. «Er hindert seine Kinder nach wie vor im Wissen um die Schulpflicht vorsätzlich an der Teilnahme am Schwimmunterricht, an Schullagern oder ausserschulischen Aktivitäten.»

Nicht das erste Mal sorgte das Verhalten des Salafisten für rote Köpfe. Tahirovic zog bereits bis vors Bundesgericht, als die Schule seine Tochter aufforderte, kein Kopftuch während des Unterrichts zu tragen. Und er bekam im Dezember 2015 Recht.

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