Die Normalität hat ihn wieder. Gekonnt manövriert Heiri F.* (22) den Gabelstapler über das Areal seines Arbeitgebers. Nur einen Tag zuvor hat ihn das Kreisgericht Flawil zu einer teilbedingten Strafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt (BLICK berichtete).
Acht Monate soll der gelernte Landwirt im Gefängnis absitzen, weil er am Steuer seines Seat Leon Cupra 2.0 im Januar 2018 Rita M.** (†50) in Jonschwil SG totgefahren hat.
Heiri F. hatte als Neulenker trotz Nulltoleranz Bier getrunken, war innerorts über 30 km/h zu schnell und schaute zur Seite, als er ungebremst in die Mutter von vier Kindern donnerte. Sie verstarb noch an der Unfallstelle.
Totfahrer lässt Weiterzug offen
Trotz einschlägiger Vorstrafen hoffte der Ostschweizer, mit einer Geldstrafe davonzukommen. Weil ihm ein Aufenthalt hinter Gittern die in Aussicht gestellte Beförderung zum Betriebsleiter vermasseln dürfte.
«Ich weiss noch nicht, ob ich das Urteil akzeptieren werde», sagt Heiri F. am Tag nach dem Schuldspruch zu BLICK. Das Gericht hatte er stürmisch und mit hochrotem Kopf verlassen. «Damit ich keine Fragen beantworten muss», so seine Erklärung.
«Er sagte zwar vor Gericht, dass es ihm leid tue, eine aufrichtige Entschuldigung haben wir von ihm nie erhalten», findet eine der beim Prozess zahlreich anwesenden Angehörigen. «Er konnte uns ja nicht einmal in die Augen schauen.»
Ein aufrichtiges Sorry fehlt bis heute
Vor der Verhandlung hatte die Familie von Rita M. anderthalb Jahre nichts von Heiri F. gehört. Dann erhielten einige von ihnen, darunter Witwer Mehmet M.** (51), plötzlich einen Brief voller Schreibfehler und Selbstmitleid.
Zuvor war bei der abschliessenden Einvernahme die Frage aufgekommen, ob sich der Landwirt jemals entschuldigt hatte. Worte der Reue findet Heiri F. auch zu BLICK nicht. Stattdessen steigt der Mann, den der Richter als «hundsmiserablen» Fahrer bezeichnet, wieder auf seinen Gabelstapler.
Immerhin: Über zwei Jahre nach dem Unfall muss sich F. bald von seinem Führerausweis verabschieden. «Ich kann verstehen, dass die lange Wartezeit für Angehörige stossend sein kann», sagt Benno Anderwert, Leiter des zuständigen Thurgauer Strassenverkehrsamtes.
Es sei aber die Norm, bei Gerichtsfällen ein rechtskräftiges Urteil abzuwarten, um juristisch auf der sicheren Seite zu sein. Eventuell droht Heiri F. gar ein unbefristeter Ausweisentzug. Staplerfahren darf er dann nur noch auf Privatgelände.
*Name geändert
**Name der Redaktion bekannt