Haben tückische Scherwinde die Piper in den Bodensee stürzen lassen?
Das grosse Risiko im kleinen Flugzeug

Zuerst stürzte eine Piper-Maschine über der Diavolezza GR ab, gestern zerschellte ein Kleinflugzeug desselben Herstellers auf dem Bodensee. Die Absturz-Ursachen sind noch unklar. Doch wie gross ist das Risiko beim «wahren Fliegen»?
Publiziert: 10.08.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 16:44 Uhr
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Bei der Bergung brach zuerst noch ein Stück des Wracks ab.
Foto: Keystone
Johannes Hillig

Am Dienstag kracht eine Piper PA-46 Malibu Mirage mit zwei Insassen an Bord bei Konstanz (D) in den Bodensee. Das Kleinflugzeug war in Zürich mit dem Ziel Hamburg (D) gestartet. Um 11.50 Uhr geschah das Unglück zirka 500 Meter vom Ufer der Insel Mainau entfernt. Dass die zwei Insassen, der Unternehmer Urs K.* (74) aus Wohlen und seine Partnerin (75) den heftigen Aufprall überlebt haben, ist unwahrscheinlich (BLICK berichtete). Tote wurden von der Polizei bisher nicht bestätigt.

Kleinflugzeuge besonders gefährdet

Das Kleinflugzeug war auf dem Weg nach Hamburg. Weit kam es aber nicht. In der Nähe der Insel Mainau stürzte die Maschine aus bisher ungeklärten Gründen ins Wasser.
Foto: HEIKE PIETSCH

Weshalb das Kleinflugzeug in den Bodensee stürzte, ist noch unklar. Möglicherweise könnten Scherwinde für das Flug-Drama verantwortlich sein. Damit bezeichnet man die plötzliche Änderung der Windstärke und Windrichtung. In diesem Fall könnten Winde, die über die Alpen kamen, eine Veränderung im Luftraum verursacht haben.

Flugexperte Kurt Hofmann: «Solche plötzlichen Veränderungen sind eine Gefahr für grosse und kleine Flugzeuge. Doch Kleinflugzeuge sind Scherwinden besonders stark ausgeliefert. Im schlimmsten Fall wird die Maschine nach unten gedrückt, fällt runter wie ein Stein. Als Pilot kann man da gar nichts tun.» Es sei eine Art Aquaplaning für Flugzeuge.

Laut Augenzeugen flog die Absturz-Maschine einen Looping vor dem Sturzflug. Mit solch einem gewagten Flug-Manöver könnte der Pilot versucht haben, den tückischen Scherwinden auszuweichen, meint Hofmann. 

Kurt Hofmann ist Flugexperte. Er vermutet hinter dem Flug-Drama auf dem Bodensee Scherwinde.
Foto: Zvg

Denkbar sind aber auch gesundheitliche Probleme des Piloten. Denn BLICK-Recherchen zeigen: Ein 74-jähriger Unternehmer aus Wohlen AG sass im Cockpit. Hatte er einen Herzinfarkt oder sonst einen Schwächeanfall?

Mehr Unfälle mit Kleinflugzeugen

Das Bodensee-Drama ist nicht die erste Kleinflug-Katastrophe in diesem Monat. Erst letzten Freitag stürzte über der Diavolezza GR eine andere Piper ab. Der Pilot (†60) und zwei Buben (je †14) starben – eine 17-Jährige überlebte schwer verletzt. Die Maschine war im Rahmen eines Rundflugs für die Teilnehmer des Jungendlagers des Aero Clubs unterwegs. Auch hier ist die Ursache für den Absturz noch unklar. 

Die beiden Abstürze innert weniger Tage mögen Zufall sein, doch Tatsache ist: Kleinflugzeuge verunfallen deutlich häufiger als Verkehrsflugzeuge. Dies zeigt sich auch im Bundesamts für Zivilluftfahrt Bazl für das letzte Jahr. Während kein einziger Unfall mit einem Verkehrsflugzeug verzeichnet ist, kam es zu 30 Unfällen mit Kleinflugzeugen.

Eine solche Piper Malibu stürzte in den Bodensee. Augenzeugen berichten von ungewöhnlichen Flugmanövern. Sogar von einem Looping ist die Rede.
Foto: Archivbild/Wikimedia/Aeroprints

Ein Hauptgrund dafür sieht Hofmann in der Grösse. «Je kleiner ein Flugzeug ist, desto heftiger spürt man Turbulenzen in der Luft. Mann muss immer gewappnet sein, dass etwas nicht Vorhergesehenes passieren kann.» Trotz dieses Risikos ist das Fliegen solcher Kleinflugzeuge sehr beliebt. «Es gilt noch als das wahre Fliegen. Man spürt das Flugzeug unterm Hintern und wie es reagiert.» 

Unzählige Flieger in der Luft

Ein Kleinflugzeug deswegen als potenzielle Todesfalle zu bezeichnen, sei aber falsch, sagt Nicole Räz vom Bazl zu BLICK. «Man muss immer im Kopf haben, wie viele Flüge pro Tag stattfinden und wie wenig passiert. Hier haben wir einen hohen Sicherheitsstandard. Aber natürlich sind solche tödlichen Unfälle in so kurzer Zeit tragisch.»

«Täglich sind Dutzende Flieger in der Luft, ohne dass etwas passiert», sagt Nicole Räz, Pressesprecherin des Bundesamts für Zivilluftfahrt.
Foto: BAZL

«Bevor ein Pilot mit seiner Maschine in die Luft steigt, müssen zahlreiche Vorbereitungen gemacht werden. Erlaubt das Wetter einen Flug, ist das Flugzeug einsatzbereit? Hier werden viele Komponenten abgefragt. Piloten trainieren während ihrer Ausbildung Extremsituationen. Wie der Pilot im Ernstfall tatsächlich reagiert, kann nicht geübt werden.»

Zurzeit werden die Bergungsarbeiten des Wracks fortgesetzt. Gestern mussten die Arbeiten wegen schlechten Wetters abgebrochen werden. Neben Fragmenten der Maschine wurden auch Leichenteile geborgen. 

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