Güggel von Roland Brunner kräht dem Nachbarn zu laut
Kikeriki-Krieg im Thurgau

Ein krähender Hahn entfacht in Sitterdorf TG einen Nachbarschaftsstreit. Dass dieser kräht, passt Renter A. S. (77) überhaupt nicht und geht nun vors Bundesgericht.
Publiziert: 20.06.2015 um 19:30 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 18:08 Uhr
Von Romina Lenzlinger (Text) und Toini Lindroos (Fotos)

In Sitterdorf TG verkommt ein Nachbarschaftsstreit zur Satire. Streitpunkt ist ein Hahn. Seit fünf Jahren  bringt er Renter A. S.* (77) um den Mittagsschlaf: «Der Güggel muss weg und zwar sofort.»

Gegenpartei ist der Kleintierzüchter Roland Brunner (56). Er denkt nicht daran, sein Tier zu töten: «Der Opi soll doch sein Fenster schliessen, wenn er sich gestört fühlt. Mein Güggel bleibt!» Es liege schliesslich in der Natur der Sache, dass zu jedem Weibchen ein Männchen gehöre. «Meine vier Hennen brauchen einen Hahn. Und der kräht halt ab und zu!»

Es gab Zeiten, da lebten Rentner A. S. und Roland Brunner friedlich nebeneinander – trotz Hahn und Hennen. «Mein Nachbar hat sogar meinen Honig gekauft», sagt Brunner. Warum sich plötzlich alles änderte, versteht der gelernte Koch bis heute nicht. A. S. meint: «Im Alter wird Schlaf eben wichtiger – und dieser Güggel kräht nicht nur am frühen Morgen, sondern ständig!»

Das Kikeriki ging dem Senior zunehmend auf den Wecker. Vor fünf Jahren schliesslich verlangte er von der Gemeinde ein «Hahnverbot». Vergebens. Sitterdorf befand die Haltung von Huhn und Hahn als «zonenkonform». Allerdings erteilte die Gemeinde Tier und Halter strikte Auflagen. Brunner musste den Stall isolieren und eine Zeitschaltuhr anbringen: Für den Hahn galt ein Ausgangsverbot zwischen 22 und 7 Uhr. Das Ganze wurde von der örtlichen Polizei überwacht.

Brunner hielt sich zuerst nicht an die Abmachungen, wie amtliche Kontrollen zeigten. An fünf von sieben Tagen befand sich der Güggel bereits kurz vor sieben Uhr krähend im Freien.

Andere Male war das Stallfenster gekippt, sodass der Lärm trotz Schalldämmung im Quartier zu hören war – worauf der Tierfreund wegen «mehrfachen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen» mit insgesamt 875 Franken gebüsst wurde. Dazu verlangte Nachbar A. S. 726 Franken Schadenersatz.

Vor ein paar Tagen hat sich nun das Bezirksgericht Weinfelden TG mit der Geschichte befasst – und ein klares Urteil gefällt: Der Hahn darf bleiben. Und Roland Brunner muss keinen Schadenersatz leisten, sich aber künftig an die Abmachungen halten. «Ich bin dankbar. Den Hahn zu töten hätte ich nicht übers Herz gebracht», sagt Brunner. Zudem: Kein anderer Nachbar im Wohnquartier fühle sich gestört.

Rentner A. S. aber gibt nicht auf. «Der Güggel muss weg – dafür gehe ich bis vor Bundesgericht!»

*Name der Redaktion bekannt

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