Cassis, Berset, Caroni auf geheimer Feindes-Liste
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Sekten-Sender gehackt:Cassis, Berset, Caroni auf geheimer Feindes-Liste

Rechtskonservativer Fake-News-Sender aus der Ostschweiz gehackt
Cassis, Berset, Caroni auf geheimer Feindes-Liste

Im Namen der Sekte OCG verbreitet Klagemauer-.tv diverse Verschwörungstheorien im Netz. Das Portal wurde Ziel einer Hackerattacke durch das Kollektiv Anonymous, das auch auf eine Feindesdatenbank der Sekte stiess.
Publiziert: 03.08.2020 um 23:23 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2020 um 18:16 Uhr
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3800 Profile angelegt: Die Organische Christus-Generation (OCG) führt peinlich Buch darüber, wer ihre Freunde und Feinde sind. Die Sekte wirft Alain Berset vor, das schweizerische Gesundheitssystem zu opfern.
Foto: Zvg
Marco Latzer

Seit Ausbruch der Corona-Krise läuft die Verschwörungsmaschinerie von Klagemauer.tv, auch bekannt als kla.tv, auf Hochtouren. Tag für Tag werden auf dem Onlinesender krude Spekulationen verbreitet, die sogenannte «Mainstream-Medien» angeblich unterdrücken.

Von Corona-Impfzwang über 5G und angebliche Klimalügen liefert kla.tv alles, was das Verschwörungsherz begehrt (BLICK berichtete). Hinter dem Fake-News-Sender stecken Ivo Sasek (64) und seine dem rechtskonservativen und antisemitischen Spektrum zugeordnete Organische Christus-Generation (OCG) mit rund 2000 Mitgliedern in Walzenhausen AR.

Gehackt von Anonymous

Kürzlich wurden die Server von kla.tv und OCG zum Ziel einer Hackerattacke des Kollektivs Anonymous Germany. Dabei haben die Angreifer nicht nur Internetseiten lahmgelegt, sondern auch eine Datenbank namens «V-Lexikon» ausgehoben (liegt BLICK vor).

Säuberlich hat die Sekte dort rund 3800 Profile zu Persönlichkeiten und Organisationen im deutschsprachigen Raum angelegt. Der Umfang ist pikant: Hunderte Schweizer, vor allem Politiker und Journalisten, wurden fichiert.

Die Sekte erfasste Bilder, Lebensläufe, Privatadressen und Handynummern. Ergänzt durch kritische Einschätzungen und Erfahrungsberichte durch Sektenmitglieder ergibt sich so eine umfangreiche Liste von Gegnern und Sympathisanten.

Aussenminister Ignazio Cassis (59) wird etwa vorgeworfen, im Tessin nichts gegen die Durchführung einer Sexmesse getan zu haben. «Weist jede Verantwortung von sich ab», heisst es dazu. Gleichzeitig wird angeprangert, Cassis habe – entgegen dem Sektenwillen – für das neue Ausländergesetz gestimmt.

Bund prüft weitere Schritte

Man distanziere sich «von dieser Organisation, ihren Positionen und dem Inhalt der Datenbank», teilt ein EDA-Sprecher mit. Aus dem Innendepartement, dessen Vorsteher Alain Berset (48) ebenfalls im «V-Lexikon» auftaucht, tönt es ähnlich: «Das EDI hatte keine Kenntnis von dieser Datenbank und verurteilt Positionen, die gegen das Gesetz verstossen. Es behält sich weitere Schritte vor.»

Sektenexperte Georg Otto Schmid (53) soll laut «V-Lexikon» ein «satanistisches Ritual» bei der Einweihung des Gotthardtunnels gedeckt haben. «Daran kann ich mich nicht erinnern, es passt aber ins Weltbild der Sekte. Sie sehen sich als Speerspitze einer neuen Menschheit, und ihre Kritiker sind für sie Handwerker Satans», so Schmid.

Zwischen Glaubensfreiheit und Extremismus

Die Datensammlung sei nicht überraschend, aber heikel. «Wenn solche Gemeinschaften geheimdienstlich tätig werden, stellt sich die Frage, wo Glaubensfreiheit endet und Extremismus beginnt.» Er selbst sei bereits von OCG-Mitgliedern bedroht worden, sagt Schmid.

Lockerer sieht es Ständerat Andrea Caroni (40, FDP/AR), obwohl ihm die Sekte vorhält, auf «aufgebrachte Weise» auf die ihm dargelegten «wissenschaftlichen Fakten» zu 5G reagiert zu haben.

«Andere Organisationen sammeln auch Daten. Leben und leben lassen», so Caroni. Bedingung sei für ihn, dass die Datenschutzbestimmungen eingehalten seien.

Genau das ist aber fraglich. Wie es auf Nachfrage im Büro des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten heisst, hätte die Datenbank wohl angemeldet werden müssen.

Datenbank laut Sekte alleine für interne Zwecke

Sektenführer Ivo Sasek selbst will das «V-Lexikon» noch nie persönlich zu Gesicht bekommen haben, wie er auf Anfrage sagt.

Die Datenbank sei für den internen Gebrauch bestimmt. «Die von Ihnen gefürchteten Listen dienen der OCG einzig und allein zur persönlichen Orientierung und Weiterbildung, welcher Art und Gesinnung unsere Volksvertreter sind», so Sasek.

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